Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ewigkeit

Ewigkeit

Titel: Ewigkeit
Autoren: Greg Bear
Vom Netzwerk:
des Sommerabends zu. Eine alte Öllampe leuchtete und qualmte friedlich auf einem Korbtisch zwischen ihnen und ergänzte die Dämmerung, während sie Gläser warmen Tees genossen. »Deine Urgroßmutter, meine Mutter, kommt gelegentlich, mich zu besuchen…«
    »Befindet sie sich nicht in der anderen Welt, Großmutter?«
    Patrikia lächelte und nickte. Ihr Gesicht war in dem goldorangenen Licht eine Masse von Runzeln. »Das hält sie nicht auf. Sie kommt, wenn ich schlafe, und sie sagt, daß du ein sehr strahlendes Mädchen bist, ein wundervolles Kind; und sie ist stolz, mit dir den Namen zu teilen.« Patrikia beugte sich vor. »Auch dein Urgroßvater ist auf dich stolz. Aber wir wollen dich nicht drängen, meine Liebe. Du hast noch genug Zeit, um zu spielen und zu träumen und erwachsen zu werden, ehe dein Tag kommt.«
    »Welcher Tag, Großmutter?«
    Patrikia lächelte geheimnisvoll und deutete mit einem Nicken zum Horizont hinüber. Aphrodite strahlte und schimmerte über das Meer wie ein Loch in einem Lampenschirm aus dunkler Seide.
     
    Rhita kehrte zwei Jahre später zu Patrikias Haus zurück, nicht mehr ein wildes Kind, das durch die Gegenwart einer unmöglich alten Großmutter höflich gemacht wurde, sondern als ein eifriges, gut erzogenes junges Mädchen, das eine Frau werden wollte. Patrikia hatte sich nicht verändert. Auf Rhita wirkte sie wie eine konservierte Frucht oder eine ägyptische Mumie, die ewig weiterexistieren könnte.
    Diesmal sprachen sie mehr über Geschichte. Rhita wußte einiges über die Geschichte Gaias – und nicht genau so, wie die Oikoumene es gelehrt wissen wollte. Die Akademeia Hypateia nutzte die Entfernung zwischen Rhodos und Alexandria zu einigem Vorteil. Vor Jahrzehnten hatte die Kaiserliche Hoheit Kleopatra die Einundzwanzigste der Sophe viel mehr diskretes Wissen beigebracht, als den königlichen Ratgebern lieb war.
    Mit elf hatte Rhita schon einen Sinn für Politik entwickelt. Aber sie zeigte sich noch begabter für Zahlen und Naturwissenschaften.
    Während der langen Abende auf der Veranda, während sie das Vergehen der Tage längs purpurner, grauer und roter Horizonte verfolgten, erzählte Patrikia Rhita von der Erde und wie diese sich fast selbst umgebracht hatte. Und sie erzählte Rhita von dem Stein, der von den Sternen gekommen war, hohl wie eine Gurke oder ein exotisches Mineral, erbaut von den Kindern der Erde in einer Zeit fern in der Zukunft. Rhita zerbrach sich den Kopf über die subtilen Geometrien, die es gestatteten, ein derart enormes Objekt durch die Zeit in ein anderes, sehr ähnliches Universum zurückzuschleudern. Aber ihr Kopf schien voller von der Sonne beleuchteter Bienen zu sein, wenn Patrikia den Korridor, den Weg beschrieb, den Kinder der Erde an den Stein geheftet hatten…
    Sie schlief ruhelos und träumte von dieser künstlichen Stätte, die gestaltet war wie eine unendliche Wasserröhre, mit Löchern, die in eine Unendlichkeit von Welten führten…
    Wenn sie im Garten arbeiteten, jäteten und Insekten töteten, Sperren aus Knoblauch um zarte junge Blumen errichteten, erzählte Patrikia Rhita die Geschichte ihrer Ankunft auf Gaia. Sie war damals jung gewesen vor sechzig Jahren, als sie die Chance erhielt, nach einem Tor in dem Weg zu suchen, das sie zu einer Erde bringen konnte, die frei war von nuklearem Krieg und wo Patrikias Familie vielleicht noch lebte.
    Statt dessen hatte sie sich verrechnet und war nach Gaia gekommen.
    Sie sagte: »Ich bin zuerst eine Erfinderin gewesen. Ich habe Dinge erfunden, die ich von der Erde her kannte. Ich habe ihnen den Bikyklos gegeben. Landwirtschaftliche Geräte. Dinge, an die ich mich erinnerte.« Sie schwenkte die Hände, wie um das zu verscheuchen. »Das dauerte nur wenige Jahre. Bald arbeitete ich für das Mouseion, und die Leute fingen an, meine Geschichten zu glauben. Manche behandelten mich, als ob ich übermenschlich wäre, was ich…« – sie schüttelte energisch den Kopf – »nicht bin. Ich werde sterben, meine Liebe, und zwar wahrscheinlich recht bald…«
     
    Fünf Jahre nach ihrer Ankunft auf Gaia wurde Patrikia in den Palast beordert zu Ptolemaios dem Fünfunddreißigsten Nikephoros. Der alte Herrscher der Oikoumene hatte sie eingehend befragt, die Geräte, die sie mitgebracht und sicher hatte aufbewahren können, untersucht und sie für ein wahres Wunderwesen erklärt. »Er sagte, ich wäre offenbar keine Göttin und kein Dämon, und berief mich an seinen Hof. Das waren damals harte Zeiten.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher