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Ewiger Schlaf: Thriller

Ewiger Schlaf: Thriller

Titel: Ewiger Schlaf: Thriller
Autoren: Greg Iles
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holte.

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    A uf dem Heimweg vom Friedhof hielt Waters kurz am Büro, um seine geologischen Karten und seine Aktentasche zu holen. Zu Hause erwähnte er seinen kleinen Ausflug Lily gegenüber nicht. Er saß mit Annelise am Küchentisch und studierte die Pläne, von denen er hoffte, dass sie die Bodenstrukturen rund um die Quelle erläuterten, die er heute loggen würde. Während er jeden Schritt seiner geologischen Analyse erneut überprüfte, löste Annelise auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches Rechenaufgaben für die zweite Klasse. Hin und wieder lachte sie über Waters’ ernstes Gesicht, und er lachte mit ihr. Die beiden teilten einen verschwörerischen Sinn für Humor, der Lily manchmal außen vor ließ. Waters fragte sich, ob die Ähnlichkeiten auf genetische Veranlagung oder auf Erziehung zurückzuführen waren. Lily war Diplom-Betriebswirtin mit herausragenden mathematischen Fähigkeiten, doch Annelises Gedanken schienen ihre eigenen verworrenen Wege zu gehen, genau wie die ihres Vaters, wie Lily oft genug hervorhob.
    Während Waters und Annelise arbeiteten, saß Lily in ihrer Büronische, wo sie die Haushaltsrechnungen ordnete und einen Brief ans Innenministerium tippte – eine weitere Schlacht in ihrem Feldzug, Linton Hill unter Denkmalschutz stellen zu lassen. Waters bewunderte ihre Hartnäckigkeit, legte selbst aber keinen großen Wert darauf, eine Messingplakette neben der Eingangstür seines Hauses anbringen zu dürfen. Er hatte Linton Hill gekauft, weil es ihm gefiel, nicht als Symbol für den beinahe feudalen Status, der für große Teile der wohlhabenden Gesellschaft von Natchez so wichtig zu sein schien.
    Um halb neun gingen sie nach oben, um Annelise ins Bett zu bringen. Waters kam als Erster wieder herunter, wartete aber am Fuß der Treppe auf Lily, wie jedes Mal. Er machte sich keine Illusionen darüber, was als Nächstes passieren würde: Lily würde ihn steif und ohne Blickkontakt umarmen und dann in ihre Nische zurückkehren, um ihren Brief zu Ende zu schreiben.
    Wie an unzähligen Abenden zuvor stand Waters allein in der Diele und fragte sich, was er als Nächstes tun solle. Meist ging er hinaus ins alte Sklavenquartier, das ihm als Büro diente, und arbeitete am Computer, um gegen die Frustration anzukämpfen, die sich seit mehr Jahren, als er sich eingestehen mochte, in ihm aufbaute. Immerhin war diese Frustration zu einer einträglichen Triebkraft geworden; um sie abzubauen, hatte Waters in seiner Freizeit geologische Kartografie-Software entwickelt, die ihm jährlich rund 70.000 Dollar Tantiemen einbrachte. Dies gab ihm das Gefühl, sich zu verwirklichen, doch das zugrunde liegende Problem löste er dadurch nicht.
    An diesem Abend fühlte er sich nicht danach, Computercodes zu schreiben oder Investoren anzurufen, wie er es seinem Partner versprochen hatte. Die Begegnung mit Eve Sumner am Nachmittag hatte ihn aufgewühlt. Es war fast unmöglich, die Energie, die sie in ihm freigesetzt hatte, zu unterdrücken. Am liebsten hätte Waters die innere Spannung gelöst, indem er mit seiner Frau schlief. Das war sicher nicht die uneigennützigste Motivation für ehelichen Sex, aber so war nun einmal die Realität. Zugleich aber wusste er, dass es nicht dazu kommen würde, jedenfalls nicht auf annähernd befriedigende Art. Das war schon seit vier Jahren nicht mehr so gewesen. Und auf einmal wusste Waters, dass er die Situation nicht länger ertragen konnte. Die Mauer aus Nachsicht und Geduld, die er so gewissenhaft errichtet hatte, brach zusammen.
    Er verließ die Diele und trat durch die Hintertür hinaus auf die Veranda, doch er begab sich nicht zum Sklavenquartier, sondern stand da in der Kühle des Abends, blickte die alte Zisternenpumpe an und dachte darüber nach, wie Lily und er in diese Sackgasse geraten waren. Rückblickend schien die Abfolge der Ereignisse das Gewicht der Unausweichlichkeit zu besitzen. Annelise war 1995 geboren; Schwangerschaft und Geburt waren normal verlaufen. Im darauf folgenden Jahr versuchten sie es noch einmal, und Lily wurde sofort schwanger. Dann, im vierten Monat, erlitt sie eine Fehlgeburt. Es geschah auf einer Party, und die Nacht im Krankenhaus war lang und schrecklich. Der Fötus war männlich gewesen, was Lily besonders hart getroffen hatte, weil sie das Kind nach ihrem Vater hatte nennen wollen, der damals schon schwer krank gewesen war. Drei Monate nach der Fehlgeburt starb er. Lily litt unter Depressionen und Schwermut und wurde mit Zoloft
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