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Ewiger Schlaf: Thriller

Ewiger Schlaf: Thriller

Titel: Ewiger Schlaf: Thriller
Autoren: Greg Iles
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und so war es auch heute noch, wenn er der Erinnerung an diese Stunden freien Lauf ließ. Auf diese Weise hatte er die letzten vier Jahre ohne sexuelle Intimität überlebt: indem er das Grauen dieses Tages niemals ganz aus seinen Gedanken verbannte. Lily war so schwer verwundet worden wie ein Soldat, dem man in die Brust geschossen hatte, auch wenn die Wunde nicht sichtbar war, und es war Waters’ Pflicht als ihr Mann, mit den Folgen zu leben.
    Das Klingeln des Telefons drang schwach durch die Verandatür. Dann hörte er Lily seinen Namen rufen, ging in den Anbau und hob den Hörer ab.
    »Hallo?«
    »Verdammt nochmal, John Boy!«
    Niemand außer Cole Smith durfte Waters so nennen, und Cole hörte sich an, als hätte er bereits eine Menge Scotch intus.
    »Wo bist du?«, fragte Waters.
    »Billy Guidraux und Mr Hill Tauzin sitzen mit mir in meinem Lincoln Continental. Wir sind fünfzehn Kilometer südlich von Jackson Point. Glaubst du, diese vierrädrige Luxusjacht schafft es unbeschadet bis zum Bohrturm?«
    »Es hat seit ein paar Tagen nicht mehr geregnet. Du dürftest keine Schwierigkeiten haben. Falls du doch stecken bleibst, sind Dooleys Jungs nahe genug, um dich herauszuziehen.« Dooleys Trupp war das Bulldozer-Team an der Ölquelle.
    »Das dachte ich auch. Wann kommst du?«
    Waters antwortete nicht gleich. Normalerweise wartete er immer, bis der Bohrtechniker anrief und ihm sagte, dass die Endtiefe erreicht war und sie damit begannen, den Bohrer nach oben zu ziehen; erst dann machte Waters sich auf den Weg zum Bohrturm. Auf diese Weise musste er weniger Zeit damit verbringen, Dinge zu tun, die er ungern tat. In den Logging-Nächten – jedenfalls in den letzten paar – redete Cole normalerweise viel dummes Zeug, während die Investoren herumstanden und Waters nervöse Blicke zuwarfen, in der Hoffnung, der einzige Geologe in der Gruppe konnte ihnen bestätigen, dass sie ihre Dollars bei dem Geschäft nicht zum Fenster hinausgeworfen hatten. Doch heute Abend wollte Waters nicht allein in seinem stillen Haus sitzen und warten.
    »Ich fahre jetzt gleich los«, sagte er Cole.
    »Sehr gut!«, rief Cole erfreut. »Der Felsmann bricht mit Gewohnheiten. Das ist ein Zeichen. Du musst eine Vorahnung haben, was diese Quelle betrifft.«
    »Felsmann« oder »Rock« – Waters hasste diese Spitznamen, doch viele Geologen waren solchen Namen ausgeliefert, und wenn Cole betrunken war, gab es nichts, was Waters dagegen tun konnte. Es hatte eine Zeit gegeben, als Cole sich nicht in die Karten hatte schauen lassen, aber damals hatte er den Alkohol noch viel besser vertragen. Oder er trank jetzt mehr als früher. So sehr der Druck der Umweltuntersuchung auf Waters lastete – seinem Partner war die Sache verdammt an die Substanz gegangen.
    »In einer Dreiviertelstunde bin ich da«, sagte er kurz angebunden.
    Bevor er auflegen konnte, hörte er raues Gelächter durch den Continental klingen, dann senkte Cole die Stimme auf halbe Lautstärke.
    »Was glaubst du, John? Kannst du mir irgendwas sagen?«
    »Im Augenblick weiß ich genauso viel wie du. Es ist dort, oder ist es nicht. Und wenn es dort ist, dann ...«
    »... dann ist es seit zwei Millionen Jahren dort, oder ist es eben nicht«, beendete Cole genervt den Satz. »Verdammt, du bist langweilig.« Plötzlich sprach er wieder in seiner üblichen Tonlage. »Entspann dich, Felsmann. Komm hierher, und trink einen mit uns.«
    Waters legte auf; dann sammelte er seine Karten, die Messbücher und seine Aktentasche zusammen. Er küsste Lily auf den Scheitel, während sie arbeitete. Ihre einzige Reaktion war ein gedankenverlorenes Achselzucken.
    Er ging hinaus zum Land Cruiser und ließ den Motor an.
    Als Waters noch sieben Kilometer von der Bohrstelle entfernt war, sah er den Turm vor dem Nachthimmel aufragen wie ein hohes, schlankes Raumschiff, das in der Dunkelheit neben dem größten Strom des Landes gelandet war. Der Stahlturm ragte mehr als 30 Meter in die Höhe, seine gigantischen Streben waren mit blauweißen Lichtern besetzt. Darunter befand sich der metallene Unterbau, wo Männer mit freiem Oberkörper und Schutzhelmen mit Ketten arbeiteten, die sie in einer einzigen unachtsamen Sekunde in Stücke reißen konnten. Der Boden unter der Plattform war ein Meer aus Schlamm und Holzplanken, durch das sich hydraulische Rohre schlängelten, und ein wenig abseits stand die »Hundehütte«, das mobile Büro des Bohrtechnikers. Die ganze Szenerie war in ein unwirkliches Zwielicht getaucht,
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