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Ewiger Schlaf: Thriller

Ewiger Schlaf: Thriller

Titel: Ewiger Schlaf: Thriller
Autoren: Greg Iles
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behandelt. Sie hatten weiterhin gelegentlich Sex, doch Lilys Leidenschaft war dahin. Waters sagte sich, dass es eine Nebenwirkung der Medikamente sei, und Lilys Arzt gab ihm Recht. Nach zwei schwierigen Jahren erklärte sie, dass sie bereit sei, es noch einmal zu versuchen. Sie setzte die Medikamente ab, begann Sport zu treiben und gut zu essen, und sie schliefen jede Nacht miteinander. Drei Wochen später war sie schwanger.
    Alles schien in Ordnung zu sein – bis ein Labortest zeigte, dass Lilys Blut Antikörper gegen das Blut des Embryos bildete. Lily war Rhesus negativ, das Baby Rhesus positiv; es war eine so schwere Unverträglichkeit, dass Lilys Blut das ihres Babys mit gefährlicher Geschwindigkeit zu zerstören begann. Die Schwangerschaft mit Annelise hatte Lily gegenüber Rhesus-positivem Blut sensibilisiert, doch erst in den darauf folgenden Schwangerschaften hatte die Krankheit ihr zerstörerisches Potenzial voll entwickelt, und es wurde jedes Mal schlimmer. Die Injektion eines Medikaments namens Rho GAM hätte die Rhesusfaktor-Krankheit bei späteren Schwangerschaften verhindern sollen, doch aus irgendeinem unbekannten Grund war es fehlgeschlagen.
    Lily und Waters fuhren wieder und wieder die 160 Kilometer zum University Hospital in Jackson, um Mutter und Fötus behandeln zu lassen, erst mit einer erschöpfenden Menge von Fruchtwasserentnahmen und schließlich mit einer intra-uterinen Transfusion, um das Baby, das ums Überleben kämpfte, mit frischem Blut zu versorgen. Diese erstaunliche Prozedur funktionierte zwar, brachte aber nur einen Aufschub von wenigen Wochen. Wenn das Baby die Schwangerschaft überleben sollte, waren weitere Transfusionen nötig – bis zu fünf. Als Lily sich bei ihrer nächsten Ultraschalluntersuchung auf den Behandlungstisch legte, blickte der Arzt auf den Computerbildschirm und horchte auf die Herztöne des Babys; dann legte er den Ultraschall-Stab hin und sah Waters mit bedeutungsvollem Blick in die Augen. Waters stockte das Herz.
    »Was ist?«, fragte Lily. »Stimmt was nicht?«
    Der Arzt drückte sanft ihren Oberarm; dann sagte er im mitfühlendsten Tonfall, den John Waters jemals aus dem Mund eines Mannes gehört hatte: »Lily, Sie werden das Baby verlieren.«
    Lilys Körper verkrampfte auf dem Untersuchungstisch. Dem Arzt stand der Schmerz ins Gesicht geschrieben, er wusste, wie viel Gefühl Lily in das Kind investiert hatte. Und eine weitere Schwangerschaft war medizinisch unmöglich.
    »Was reden Sie da?«, fragte Lily. »Woher wissen Sie das?« Plötzlich wich alle Farbe aus ihrem Gesicht. »Sie meinen ... er ist schon tot? Jetzt? «
    Der Arzt sah Waters Hilfe suchend an, doch Waters hatte keine Ahnung, was für Notfall-Prozeduren es gab. Er wusste, dass sie sich in einer jener Situationen befanden, auf die ein Medizinstudium nicht vorbereitete.
    »Der Herzschlag des Fötus verlangsamt sich«, sagte der Arzt. »Das Baby leidet bereits unter Hydropsie.«
    »Was ist das?«, fragte Lily mit zitternder Stimme.
    »Herzversagen.«
    Lily rang nach Atem. Waters drückte ihre Hand; Furcht und Hilflosigkeit schnürten ihm die Kehle zu. Er hatte mehr Angst um Lily als um das Baby.
    »Tun Sie doch etwas!«, schrie Lily den fassungslosen Arzt an. Dann wandte sie sich an ihren Mann. »Tu etwas!«
    »Er kann nichts tun«, sagte der Arzt mit sanfter Stimme, die Waters verriet, dass er soeben eine schmerzliche Lektion über die Grenzen seines Berufsstandes lernte.
    Lily starrte auf das unscharfe Bild auf dem Monitor; in ihren Augen war jetzt mehr Weiß als Farbe zu sehen. »Sitzen Sie nicht einfach da, verdammt! Tun Sie etwas! Entbinden Sie jetzt gleich! «
    »Er kann außerhalb Ihres Körpers nicht überleben, Lily. Seine Lungen sind noch nicht entwickelt. Und in Ihrem Körper kann er ebenfalls nicht überleben. Es tut mir Leid.«
    »Holen ... Sie ... ihn ... RAUS !«
    In den vier Jahren seit diesem Tag hatte Waters nicht gewagt, darüber nachzudenken, was anschließend passiert war – nicht mehr als ein oder zwei Mal jedenfalls. Lilys Mutter, die im Flur gesessen und eine Zeitschrift gelesen hatte, kam hereingestürmt, als Lily zu schreien begann. Der Arzt bemühte sich nach Kräften, die Situation zu erklären, und Lilys Mutter tat, was sie konnte, um ihre Tochter zu trösten. Doch in den zehn Minuten, die es dauerte, bis das Herz von Waters’ ungeborenem Kind zu schlagen aufhörte, zerbrach auch das Herz seiner Frau. Dieser Anblick hatte ihn damals jeder Manneskraft beraubt –
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