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Evas Auge

Evas Auge

Titel: Evas Auge
Autoren: Karin Fossum
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schiefgehen können.«
    Ahron drehte sich eine neue Zigarette.
    »Es war sicher seltsam für Sie, daß Einarsson verschwunden ist. Haben Sie sich mal gefragt, warum er gestorben ist? Ich meine, haben Sie wirklich darüber nachgedacht? Es war nämlich, genau wie Sie gesagt haben, ein gediegenes Mißverständnis.«
    Ahron sammelte Kräfte und ließ sich im Sessel zurücksinken.
    »Und dann haben Sie etwas mit Jorun angefangen. Sie wußten, daß wir bei ihr gewesen waren. Hatten Sie Angst, Egil hätte ihr alles noch erzählen können?«
    »Sie haben sicher lange geübt, um mir diese Geschichte so gekonnt auftischen zu können.«
    »Hören Sie lieber zu. Ich habe Ihnen nämlich etwas zu erzählen. Sie sind gesehen worden. Eine Zeugin hat Sie gesehen, und ich meine nicht, als Sie in Einarssons Opel den Tatort verließen. Eine Zeugin hat gesehen, wie Sie Maja Durban ermordet haben.«
    Diese Behauptung wirkte so unwahrscheinlich, daß Ahron lächeln mußte.
    »Manchmal fürchten sich Zeugen und melden sich deshalb nicht sofort. Manchmal haben sie dafür ihre guten Gründe, und deshalb hat es so lange gedauert. Aber am Ende ist sie dann aufgetaucht. Sie saß im Nebenzimmer, auf einem Hocker, und hat euch durch den Türspalt zugesehen. Sie hat sich soeben gemeldet.«
    Peddiks Blick flackerte, dann lächelte er wieder.
    »Eine ziemlich wilde Behauptung, nicht wahr?« fragte Sejer. »Da stimme ich Ihnen zu. Aber wissen Sie, diesmal ist es die Wahrheit. Sie haben einen Mord begangen, und Sie sind dabei beobachtet worden. Es war ein brutaler und ganz und gar unnötiger Mord. Übel. Eine Frau«, Sejer erhob sich und ging durch das Zimmer, »sogar eine kleine Frau, mit nur einem Bruchteil Ihrer Muskelmasse. Laut Bericht der Gerichtsmedizin war sie eins fünfundfünfzig und wog vierundfünfzig Kilo. Sie war nackt. Sie lag unten. Sie waren oben. Mit anderen Worten«, er ließ sich wieder in seinen Sessel sinken, »sie war vollständig wehrlos.«
    »Sie war nicht wehrlos, verdammt noch mal, sie hatte ein Messer!«
    Ahrons Ruf dröhnte durch das Zimmer, und danach keuchte er auf.
    Er schlug die Hände vors Gesicht und versuchte, ruhig zu sitzen, aber sein ganzer Leib zitterte jetzt heftig.
    »Ich will sofort einen Anwalt.«
    »Der kommt schon noch.«
    »Sofort, verdammt!«
    Sejer beugte sich über den Rekorder und ließ die Kassette laufen. Eva Magnus’ Stimme war klar und deutlich, fast ein wenig monoton. Bei der Aufnahme war sie bereits erschöpft gewesen, konnte aber nicht mißverstanden werden.
    »Ihr Nutten seid verdammt noch mal gierig, ich habe für fünf Minuten einen Häuptling hingeblättert, weißt du, wie lange ich in der Brauerei malochen muß, um einen Häuptling zu verdienen?«
    »Jetzt begreifen Sie vielleicht, warum Egil sterben mußte? Sie haben sich ziemlich ähnlich gesehen. Bei schlechtem Licht ist da schnell ein Irrtum passiert.«
    »Den Anwalt!« sagte Ahron heiser.
    ---
    J an Henry hatte sich in der Garage versteckt. Er versuchte, die Hosenbeine des Schmieranzuges hochzukrempeln, und als ihm das gelungen war, wollte er sich in einer alten gesprungenen Fensterscheibe spiegeln, die an der Wand lehnte.
    Emma Magnus stand im Gästezimmer ihres Vater, wo ihr Bett stand, sie blickte sich ratlos um. »Ich möchte lieber bei euch schlafen«, bettelte sie.
    »Da ist kein Platz für dein Bett«, sagte ihr Vater verzweifelt. »Dann kann ich doch in eurem Bett schlafen«, schluchzte Emma. »Ihr könnt mich doch auf der Ritze liegen lassen.«
    Larsgård wurde mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus gebracht. Die Rettungssanitäter sahen sich in der Wohnung um, um nicht aus Versehen eine Katze oder einen Hund dort einzusperren. Alle Zimmer wurden durchsucht, auch der Keller, aber dort gab es nur alten Müll, eine defekte Waschmaschine, verfaulte Äpfel und diverse alte Farbeimer.
    Eva Magnus hatte sich die Decke über den Kopf gezogen.
    Unter der Decke war es dunkel, und ziemlich bald war es auch warm. In ihrem Kopf war alles leer.
    Karlsen und Sejer gingen schweigend durch den Flur. Sie gingen zum Hinterhof, wo die Autos standen. Karlsen steuerte einen Ford Mondeo an.
    »Wo wird Magnus wohl landen, was meinst du?«
    Er schaute zu Sejer hinüber.
    »Bei zwoneununddreißig, vorsätzlich, fürchte ich.«
    Sejer seufzte tief. Sein Zwerchfell krampfte sich zusammen. Kinder kamen auf so seltsame Ideen, Kinder vergaßen die Zeit, hatten kein Verantwortungsgefühl, alles war möglich; sicher war nichts Schlimmes passiert,
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