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Etwas ist faul

Etwas ist faul

Titel: Etwas ist faul
Autoren: Agatha Christie
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Englands zurückgezogen hatte, war er als unzufrieden bekannt. Er vermisste die Schmeichelei und den Applaus, und der englische Landadel hatte ihn nicht so prompt aufgenommen, wie er gehofft und erwartet hatte. So fühlte er sich jetzt durch Lady Rustonburys Bitte sehr geschmeichelt und war hocherfreut.
    »Ich werde mein Bestes tun«, sagte er lächelnd. »Wie Sie wissen, habe ich schon lange nicht mehr vor Publikum gesungen. Ich habe nicht einmal Schüler, nur ein oder zwei als besondere Gunst. Und das jetzt, weil Signor Roscari unglücklicherweise erkrankt ist…«
    »Ja, es ist ein schrecklicher Schlag«, sagte Lady Rustonbury. »Nicht, dass er wirklich ein großer Sänger wäre«, sagte Bréon. Er erzählte ihr ausführlich, warum das so sei. Es hatte, seit Edouard Bréon sich zurückgezogen hatte, wie es schien, keinen Bariton von Weltruf mehr gegeben.
    »Madame Nazorkoff singt die Tosca«, sagte Lady Rustonbury. »Ich darf wohl sicher annehmen, dass Sie sie kennen?«
    »Ich habe nie mit ihr gesprochen«, sagte Bréon. »Ich habe sie einmal in New York singen gehört. Eine große Künstlerin – sie hat das Talent für Dramatik.«
    Lady Rustonbury fühlte sich erleichtert – bei diesen Sängern konnte man ja nie wissen – sie hegten solche merkwürdigen Eifersüchte und Antipathien.
    Sie betrat nach ungefähr zwanzig Minuten wieder die Vorhalle des Schlosses und schwenkte triumphierend die Hände.
    »Ich habe ihn«, rief sie lachend. »Der liebe Monsieur Bréon war wirklich zu liebenswürdig. Ich werde es ihm nie vergessen.« Alle drängten sich um den Franzosen, und die allgemeine Dankbarkeit und Anerkennung ihm gegenüber war wie Weihrauch für ihn. Edouard Bréon, obwohl jetzt nahe an die Sechzig, war noch ein gut aussehender Mann, breit und dunkel und von einer magnetischen Ausstrahlung.
    »Moment mal«, sagte Lady Rustonbury. »Wo ist denn Madame? Oh, da ist sie ja.«
    Paula Nazorkoff hatte an dem allgemeinen Begrüßungsrummel für den Franzosen nicht teilgenommen. Sie war in einem hohen Eichenstuhl neben dem Kamin sitzen geblieben. Es war natürlich kein Feuer darin, denn der Abend war warm, und die Sängerin fächelte sich langsam mit einem riesigen Palmwedel Kühlung zu. Sie saß dort so unbeteiligt und wie entrückt, dass Lady Rustonbury fürchtete, sie fühle sich beleidigt.
    »Monsieur Bréon«, sagte sie. Sie führte ihn zu der Sängerin. »Sie sagten, Sie hätten noch nie mit Madame Nazorkoff gesprochen.«
    Nach einer letzten fächelnden Bewegung, die wie eine anmutige Geste wirkte, legte Paula Nazorkoff den Palmwedel nieder und streckte ihre Hand dem Franzosen entgegen. Er ergriff sie und beugte sich tief darüber, und ein schwacher Seufzer kam von den Lippen der Primadonna.
    »Madame«, sagte Bréon, »wir haben niemals zusammen gesungen. Das ist die Strafe meines Alters! Aber das Schicksal meinte es gut mit mir und kam zu meiner Rettung.«
    Paula lachte leise.
    »Sie sind sehr liebenswürdig, Monsieur Bréon. Als ich noch eine arme, kleine unbekannte Sängerin war, saß ich zu Ihren Füßen. Ihr Rigoletto – welche Kunst, welche Vollendung! Niemand konnte Sie erreichen.«
    »Leider!«, sagte Bréon und ließ einen tiefer Seufzer hören. »Meine Tage sind vorbei. Scarpia, Rigoletto, Radames, Sharpless, wie viele Male habe ich sie gesungen, und jetzt – nie mehr!«
    »Doch – heute Abend.«
    »Ach ja, richtig, Madame – ich vergaß – heute Abend.«
    »Sie haben schon mit vielen Toscas zusammen gesungen«, sagte die Nazorkoff arrogant, »aber noch nie mit mir!«
    Der Franzose verbeugte sich.
    »Es wird mir eine Ehre sein«, sagte er weich. »Es ist eine große Rolle, Madame.«
    »Es bedarf nicht nur einer Sängerin, sondern auch einer Schauspielerin«, warf Lady Rustonbury ein.
    »Das ist wahr«, stimmte Bréon zu. »Ich erinnere mich noch, als ich damals als junger Mann in Italien war, besuchte ich ein etwas abseits gelegenes Theater in Mailand. Der Platz kostete mich nur ein paar Lire, aber ich habe da ebenso gute Sänger gehört wie später in der Metropolitan Opera in New York. Ein ganz junges Mädchen sang damals die Tosca. Sie sang das wie ein Engel. Ich werde niemals ihre Stimme in ›vissi d’arte‹ vergessen, diese Klarheit, diese Reinheit. Aber die dramatische Kraft fehlte ihr.« Die Nazorkoff nickte.
    »Das kommt erst später«, sagte sie ruhig.
    »Richtig. Dieses junge Mädchen – Bianca Capelli hieß sie – ich interessierte mich für ihre Karriere. Durch mich hätte sie
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