Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Etwas ist faul

Etwas ist faul

Titel: Etwas ist faul
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
Hand zu bitten, wenn sie nicht glücklicherweise mich darum gebeten hätte. Hinterher hat sie einen Rückzieher gemacht, aber ich konnte sie umstimmen. Und weiß du, Onkel, wie ich das gemacht habe? Indem ich zur richtigen Zeit zwei Pence investierte und zupackte, als mir das Schicksal seine goldene Kugel entgegenwarf.«
    »Wofür die zwei Pence?«, erkundigte sich Mr Leadbetter, den dieser Punkt aus finanztechnischen Gründen interessierte.
    »Für eine Banane – vom Obststand. Ich muss selbst sagen, auf die Idee mit dieser Banane wäre nicht jeder gekommen. Wo kriegt man übrigens eine Heiratslizenz? Doctor’s Commons oder Lambeth Palace?«

Schwanen-Gesang

1
     
    E s war elf Uhr an einem Maimorgen in London. Mr Cowan blickte aus dem Fenster, während hinter ihm die steife Pracht eines Salons im Ritz-Hotel prangte. Er gehörte zu der Zimmerflucht, die von Madame Paula Nazorkoff, dem berühmten Opern-Star, bewohnt wurde. Mr Cowan war Madames Impresario; jetzt erwartete er die Sängerin zu einer Besprechung. Er wandte den Kopf, als sich die Tür öffnete, doch es war nur Miss Read, Madame Nazorkoffs Sekretärin, ein blasses, tüchtiges Mädchen.
    »Oh, Sie sind es, meine Liebe«, sagte Mr Cowan. »Ist Madame noch nicht auf?«
    Miss Read schüttelte den Kopf.
    »Wir waren um zehn Uhr verabredet«, sagte Mr Cowan. »Jetzt warte ich schon eine geschlagene Stunde.«
    Er zeigte weder Ärger noch Überraschung. Mr Cowan hatte sich inzwischen an die Unberechenbarkeiten des künstlerischen Temperaments gewöhnt. Er war groß, glatt rasiert, seine ganze Haltung war etwas zu tadellos, seine Kleidung etwas zu gepflegt. Sein Haar war sehr schwarz und glänzend, und seine Zähne waren von aggressivem Weiß. Er stieß, wenn er ein »s« aussprach, leicht an, was nicht gerade ein Lispeln war, diesem aber gefährlich nahe kam. Es bedurfte keiner besonderen Vorstellungsgabe, um zu erkennen, dass der Name seines Vaters wahrscheinlich Cohen gelautet hatte. In dieser Minute flog die Tür an der anderen Seite des Raumes auf, und ein französisches Mädchen stürzte herein.
    »Steht Madame gerade auf?«, fragte Cowan hoffnungsvoll. »Was gibt es Neues, Elise?«
    Elise warf beide Hände in die Luft. »Madame ist heute wie siebzehn Teufel, nichts ist ihr recht! Die schönen gelben Rosen, die Monsieur ihr gestern Abend schicken ließ…, sie sagt, für New York wären sie ganz in Ordnung, aber es sei eine Idiotie, sie ihr nach London zu schicken. In London, sagt sie, seien nur rote Rosen möglich, und dann reißt sie die Tür auf und schleudert die gelben Rosen auf den Gang, wo sie auf einem Monsieur landen, três comme il faut, einem hohen militärischen Würdenträger, glaube ich. Und er ist außer sich.«
    Cowan zog die Augenbrauen hoch, verriet aber kein anderes Zeichen von Bewegung. Dann holte er ein kleines Notizbuch aus seiner Tasche und notierte die Worte »rote Rosen«.
    Elise stürzte durch die andere Tür wieder hinaus, und Cowan wandte sich erneut dem Fenster zu. Vera Read setzte sich an den Schreibtisch und begann, Briefe zu öffnen und zu sortieren. Zehn Minuten verstrichen in Schweigen, und dann barst die Tür zum Schlafzimmer auf, und Paula Nazorkoff flammte in den Raum. Ihr Erscheinen hatte die Wirkung, dass der Raum kleiner, Vera Read noch farbloser und Cowan als bloße Figur im Hintergrund erschien.
    »Aha, meine Kinder«, sagte die Primadonna. »Bin ich nicht pünktlich?«
    Sie war eine hochgewachsene Frau und für eine Sängerin nicht über Gebühr füllig. Ihre Arme und Beine waren noch schlank, und ihr Hals hatte die Form einer schönen Säule. Ihr Haar, das im Nacken einen üppigen Knoten bildete, war von dunklem, brennendem Rot. Wenn sie auch dieser Farbe mit Henna nachgeholfen hatte, so war die Wirkung deshalb nicht weniger echt. Sie war keine junge Frau mehr, mindestens vierzig, doch die Züge ihres Gesichts waren noch reizvoll, obgleich die Haut nicht mehr so straff und um ihre blitzenden, dunklen Augen herum bereits etwas faltig war. Ihr Lachen war das eines Kindes, ihre Verdauung die eines Straußes, ihr Temperament das eines Teufels, und sie genoss den Ruf, der größte dramatische Sopran ihrer Zeit zu sein. Sie ging augenblicklich auf Cowan los.
    »Haben Sie alles getan, was ich Ihnen befohlen habe? Haben Sie diesen abscheulichen englischen Flügel weggeschafft und in die Themse geworfen?«
    »Ich habe einen anderen besorgt«, sagte Cowan und deutete in die Ecke, wo der Flügel stand.
    Die Nazorkoff flog
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher