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Es war einmal ein Mord: Ein Hänsel und Gretel-Krimi (German Edition)

Es war einmal ein Mord: Ein Hänsel und Gretel-Krimi (German Edition)

Titel: Es war einmal ein Mord: Ein Hänsel und Gretel-Krimi (German Edition)
Autoren: P. J. Brackston
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verschwinden, ausnahmsweise nicht beglückt über den Mangel an Taschen in ihren Designerroben. Das Messing war immer noch warm und stellte unter ihren Kleidern eine weitere Quelle des Ärgers dar.
    »Sapperlot! Was tust du da?«, blaffte Strudel sie an, als erherbeistapfte, um die Leiche zu bewachen wie ein Gamsbock sein Revier.
    »Nichts. Gar nichts«, sagte Gretel und machte sich davon. »Ihr habt offenkundig wichtige Dinge zu tun, also überlasse ich Euch Eurer Arbeit«, rief sie über die Schulter.
    Wutschnaubend kehrte sie nach Hause zurück, in der Hand eine empörend kostspielige Salbe von Herrn Pfinkle, dem Apotheker. Als sie die Stufen zu ihrer Veranda hinaufstieg, sinnierte sie darüber, wie rasch sich das Schicksal doch wenden konnte. In einer Minute war da etwas, das ein langwieriger Fall im Auftrag einer Klientin zu werden versprach, die bereit war, mehr als üblich hinzublättern, im nächsten Moment sah es ganz so aus, als wären die vermaledeiten Katzen schlicht und einfach dem Feuer zum Opfer gefallen. Und das war es dann, aus und vorbei, nichts weiter zu tun, außer Frau Hapsburg die Neuigkeit zu überbringen, dass ihre kostbaren Haustiere geröstet worden waren. Und zu allem Überfluss war Gretel über und über mit Flohbissen bedeckt, hatte irrsinnig viel Geld für die Behandlung bezahlen müssen, und Strudel war derjenige von ihnen, der einen interessanten, verdächtigen Todesfall untersuchen durfte.
    Die Abenddämmerung senkte sich über Gesternstadt, und der Tag schien gänzlich aus dem Lot geraten zu sein. Wie zur Bestätigung schlug Gretel, kaum dass sie die Vordertür geöffnet hatte, der Geruch von Frühstück entgegen.
    »Englisch, fully cooked!«, brüllte Hänsel ihr aus der Küche entgegen. »Willst du auch was?«
    Gretel wollte   – und wollte auch wieder nicht. Sie wollte, weil sie den ganzen Tag nichts gegessen hatte und furchtbar hungrig war. Sie wollte nicht, weil die Kalorienorgie, die Hänsel ihr vorzusetzen gedachte, sicher nicht dazu beitragenwürde, ihren ständig wachsenden Körperumfang zu bändigen. Sie wollte, weil der Geruch von gebratenem Schinken ihr den Mund wässrig machte und den Kopfschmerz und das Jucken vertrieb. Sie wollte nicht, weil jener Teil von ihr, der sie davon abhielt, von einer Klippe zu springen oder sich vor eine vorbeirasende Kutsche zu werfen, sie an die Unmengen von Dreck erinnerte, in der das Mahl zubereitet worden war. Die Mäßigung ermahnte die Gier, doch die Gier brüllte sie nieder.
    »Eine Extraportion Blutwurst für mich, Hänsel, und knausere nicht mit den Würstchen«, rief sie.
    Eine Stunde später lag sie ermattet auf ihrem Sofa. Sie hatte sich wieder in ihren bevorzugten Hausmantel geworfen, ihre Kleider ausgeräuchert, ihre Bisswunden mit der Salbe eingerieben und Hänsels grandioses Frühstück verschlungen. Nun stocherte sie zufrieden mit einer Gabel zwischen ihren Zähnen herum.
    »Was ich nicht verstehe«, sagte Hänsel, dessen Worte von dem dicken Zigarrenstummel verzerrt wurden, den er rauchte, »warum sollte jemand, der aus einem noch unbekannten Grund die Werkstatt von jemand anderem in Brand steckt, sich mit den Katzen wieder eines anderen befassen, die überhaupt nichts mit alldem zu tun haben?«
    Gretel runzelte die Stirn. »Lieber Bruder, du hast eine Art, die Fettschicht eines Problems zu durchbohren und   …«
    »Direkt auf den Knochen zu kommen?«
    »… bei dem Patienten eine gewaltige Blutung auszulösen und die bis dahin belanglose Wunde in so viel Blut zu ertränken, dass niemand auch nur die geringste Hoffnung haben kann, sie zu heilen.«
    »Und das nennt man klar denken?«
    »Verglichen mit deiner üblichen geistigen Verschattung, ja.«
    »Aber du kannst mir die Frage nicht beantworten, richtig?«
    Gretel war zu müde und zu vollgefressen, um mit ihm zu streiten. Außerdem schadete es ja nicht, Hänsel in dem Glauben zu belassen, dass er dann und wann einen klugen Gedanken ausbrüten konnte. Wann immer Gretel sich in der Lage fühlte, darüber nachzudenken, wusste sie, dass sein Alkoholproblem unentwirrbar mit seinem chronisch niedrigen Selbstwertgefühl verwoben war. So war es schon seit vielen Jahren. Wer wurde schon gern dadurch berühmt, sich mit seiner kleinen Schwester im Wald zu verirren, um anschließend von ihr gerettet zu werden? Der geringe Berühmtheitsgrad, den die beiden genossen hatten, seit die Sache öffentlich bekannt geworden war, hatte sie eine Zeit lang vor Armut bewahrt, aber die
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