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Es stirbt in mir

Es stirbt in mir

Titel: Es stirbt in mir
Autoren: Robert Silverberg
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Dollar pro Maschinenseite.«
    Cushing schüttelte verständnislos den Kopf. »Du warst gut, das muß man dir lassen. Hier arbeiten ungefähr acht bis zehn Leute auf diesem Gebiet, aber du bist wirklich bei weitem der Beste.«
    »Vielen Dank.«
    »Aber du hattest mindestens einen unzufriedenen Kunden. Wir fragten Lumumba, warum er dich zusammengeschlagen hat. Er sagte, er habe dir den Auftrag gegeben, eine Semesterarbeit für ihn zu schreiben, und du hättest schlechte Arbeit geliefert, hättest ihn übers Ohr gehauen und ihm nicht einmal den Vorschuß zurückgeben wollen. Nun gut, mit ihm werden wir nach unseren eigenen Regeln verfahren, aber mit dir müssen wir uns auch auseinanderlegen. Wir suchen dich schon seit langer Zeit, Dave.«
    »Wirklich?«
    »Wir haben während der letzten beiden Semester Fotokopien deiner Arbeiten an mindestens ein Dutzend Fakultäten verteilt und die Leute gebeten, nach deiner Schreibmaschine und deinem Stil Ausschau zu halten. Viel Zusammenarbeit ist leider nicht dabei herausgekommen. Zahlreiche Mitglieder des Lehrkörpers scheinen sich nicht darum zu kümmern, ob die Semesterarbeiten, die ihnen eingereicht werden, gefälscht sind oder nicht. Aber uns war das nicht gleichgültig, Dave. Uns war es keineswegs gleichgültig.« Cushing beugt sich vor. Sein einschüchternd ernster Blick sucht Seligs Augen. Selig wendet sich ab. Er kann der forschenden Wärme in diesem Blick nicht standhalten. »Vor einigen Wochen kamen wir dir auf die Spur«, fährt Cushing fort. »Wir erwischten einige deiner Klienten und drohten ihnen mit Relegation. Sie nannten uns zwar deinen Namen, aber sie wußten nicht, wo du wohntest, und wir sahen keine Möglichkeit, deine Adresse zu erfahren. Also warteten wir. Denn wir wußten ja, daß du wiederkommen mußtest, um Aufträge abzuliefern und neue zu holen. Dann kam die Meldung von einer Schlägerei auf der Treppe der Low Library, in die mehrere Basketballspieler verwickelt sein sollten; wir fanden dich mit einem Stoß nicht abgelieferter Arbeiten unter dem Arm, und damit war der Fall erledigt. Du bist arbeitslos, Dave.«
    »Eigentlich sollte ich einen Anwalt verlangen«, erwidert Selig. »Eigentlich dürfte ich hier vor dir gar nichts zugeben. Eigentlich hätte ich alles abstreiten sollen, als du mir diese Papiere zeigtest.«
    »Du brauchst deine Rechte nicht so ängstlich zu wahren.«
    »Das muß ich doch wohl, wenn du mich vor Gericht bringen willst.«
    »Nein, Dave«, sagt Cushing, »wir werden dich nicht anzeigen. Jedenfalls nicht, solange du keine Arbeiten mehr fälschst. Wir haben kein Interesse daran, dich ins Gefängnis zu schicken, und außerdem weiß ich nicht mal genau, ob das, was du getan hast, überhaupt strafbar ist. Was wir vielmehr tun wollen, Dave, ist, dir zu helfen. Du bist krank. Wenn ein Mensch mit deiner Intelligenz, mit deinen Möglichkeiten so tief sinkt, daß er für Collegestudenten Semesterarbeiten fälscht, dann ist das traurig, Dave, dann ist das ganz furchtbar traurig. Wir haben hier über deinen Fall diskutiert. Dean Bellini und Dean Tompkins und ich, und wir haben eine Art Rehabilitationsplan für dich ausgearbeitet. Wir können dir Arbeit auf dem Campus verschaffen, sagen wir, als Forschungsassistent. Es gibt immer Doktoranden, die einen Assistenten brauchen, und wir haben einen kleinen Fonds, aus dem wir dir ein Gehalt zahlen können, nicht sehr viel, aber mindestens ebensoviel wie du mit diesen Aufsätzen verdient hast. Außerdem würden wir dich zu unserem psychologischen Beratungsdienst zulassen. Der ist zwar eigentlich nicht für Ehemalige, aber ich sehe nicht ein, weshalb wir nicht auch mal flexibel sein sollen. Ich, für meine Person muß dir sagen, daß ich es überaus peinlich finde, daß ein Angehöriger der Abgangsklasse von 1956 in so einer Patsche sitzt und werde – sei es auch nur aus Loyalität für unsere Klasse – alles in meiner Macht Stehende tun, um dir zu helfen, wieder auf die Beine zu kommen und endlich den Erwartungen zu entsprechen, die du gezeigt hast, als…«
    Cushing redet ununterbrochen weiter, variiert sein Thema, wiederholt sich, bietet Mitleid ohne Rückhalt, verspricht seinem leidenden Kommilitonen Hilfe. Selig, der unaufmerksam zuhört, entdeckt, daß Cushings Geist sich ihm allmählich öffnet. Die Wand, die ihrer beider Bewußtsein zuvor voneinander getrennt hatte, möglicherweise ein Produkt von Seligs Angst und Erschöpfung, beginnt sich aufzulösen, und Selig ist nun in der Lage, ein
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