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Es sterben immer drei

Es sterben immer drei

Titel: Es sterben immer drei
Autoren: Rosemarie Bus
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vorsichtig, als sei dies nicht die angemessene Reaktion während einer Beerdigung, zurückzulächeln wagten. Drei Tote, überlegte sie, war das nun reiner Aberglaube oder doch eine durch die Lebenserfahrung einer älteren Dame bestätigte Wahrheit. Wie es sich für eine moderne Mittdreißigerin gehört, neigte Stella zu der Überzeugung, übergeordnete außerirdische Instanzen interessierten sich nicht genug für individuelle Schicksale auf der Erde, um einzugreifen. Da hätten sie viel zu tun. Vorausgesetzt, es gab diese außerirdischen Instanzen überhaupt. Wofür wenig sprach. Stellas Mutter Irma war selbstverständlich anderer Meinung. Sie glaubte an ihr gütiges Schicksal, das sie von oben wohlwollend überwacht wähnte. Warum allerdings immer drei Leichen nacheinander eingefordert wurden, konnte auch sie nicht erklären.
    Die erste Tote nach Irmas Zählweise war die Frau in dem Sarg. Mechthild Petersen. Eine ehemalige Chefredakteurin, mit der Stella, nachdem sie sich beruflich nicht mehr zu bekämpfen brauchten, eine Freundschaft aufgebaut hatte. Mechthilds Ehemann, ein zerbrechlicher Greis Anfang 80, hatte dankbar das Angebot angenommen, ihm bei der Organisation der Beerdigung zu helfen, und so hatte sie beim Radeln zwischen Bestattungsunternehmen, Friedhofsverwaltung und Computer ihrenKreislauf in Schwung gebracht, hatte Sarg und Blumenschmuck ausgesucht, Traueranzeigen aufgegeben, Freunde informiert, im Internet nach Musik gesucht, die Mechthilds Vorliebe für Swing entsprach und trotzdem angemessen getragen die Trauerfeier untermalte, und ein Restaurant für die Art von geselligem Beisammensein organisiert, die ihre Mutter Leichenschmaus nannte. Als ob eine Leiche verspeist werden würde.
    Alles Aktivitäten, bei deren Erledigung Stella sich erstaunlich aktiv und lebendig fühlte. Eine Beerdigung zu organisieren machte Freude, stellte sie fest und fand es schade, dass sie danach nicht mehr gebraucht wurde und wieder in ihr schwarzes Loch der Sinnlosigkeit zurückfallen würde, in dem sie feststeckte, seit die Aufträge aus Zeitschriftenredaktionen immer seltener gekommen und zuletzt vollständig ausgeblieben waren. Die Medienkrise hatte sie kalt erwischt. Da auch der Wirt des Gasthauses kurz vor Bayrischzell, in dem sie als Kellnerin aushalf, über die schweren Zeiten stöhnte und am Bedienungspersonal sparte, konnte sie es sich leisten, ihre Zeit großzügig zu verschenken.
    Ihre Freundschaft mit Mechthild war auf eine distanzierte Weise beständig gewesen. Sie trafen sich selten und gingen meistens ins Kino. Das hatte den Vorteil, dass der Film für genügend Gesprächsstoff danach sorgte und keine von beiden riskierte, ihr Privatleben auszubreiten. Am Ende der Treffen bezahlte Mechthild die vier gemeinsamen Weinschorlen und ließ sich nur davon abhalten, wenn Stella glaubhaft versichern konnte, dank eines tollen Auftrags gerade gut bei Kasse zu sein. Mechthild stammte noch aus der Generation festangestellter Journalisten mit überdurchschnittlichen Gehältern, die auch eine ansehnliche Rente bescherten.
    Und nun hatte Mechthild nichts mehr von ihrer üppigen Altersversorgung. Gestorben mit 68. Nach mehreren Tagen im Gefrierblock lag sie in einem schlichten Birkenholzsarg unter der hohen Trauerhallenkuppel des Münchner Nordfriedhofs, gut versiegelt mit Wappen des städtischen Bestattungsunternehmensauf allen vier Seiten. Stella fragte sich, ob sich ihre Freundin wirklich darin befand oder ob das Bestattungsunternehmen sich den Transport sparte und die Leiche einfach bis zur Einäscherung weiter unter Eis ließ. Der Trauergemeinde würde es nicht auffallen, wenn sie sich vor einem leeren Sarg versammelte. Es hätte Mechthild nicht gestört, nahm Stella an. Was sie trotz aller Distanz miteinander verband, war das gleiche Bemühen, das Leben einigermaßen würdevoll zu überstehen. Mechthild hatte es nun geschafft. Stella beneidete sie fast darum. Sie konnte es sich jetzt gemütlich machen, Eisblock hin oder her.
    Drei Gärtner verteilten weiße Rosen, Lilien und Jasmin in Glasvasen, schoben die künstlichen Lorbeerbäume der im Mietpreis enthaltenen Trauerhallendekoration in den Hintergrund, stellten echte Olivenbäume davor und beleuchteten das Ganze mit Dutzenden von dicken weißen Kerzen. Die elektrischen ließ Stella ausschalten und den einzigen pompösen Kranz aus gelben Gerbera aus der Mitte an die Seite rücken. Er entsprach weder farblich noch philosophisch Mechthilds Geschmack. Der weiß
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