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Es sterben immer drei

Es sterben immer drei

Titel: Es sterben immer drei
Autoren: Rosemarie Bus
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geblümte Olivenhain dagegen hätte ihr gefallen, auch wenn sie vielleicht über den Aufwand gespottet hätte . Das viele Geld nur für meine Leiche. Seid ihr verrückt . Aber ein Elysium für eine Göttin, das passte zu ihrem Lebensgefühl, obwohl es in der Halle so kalt war, wie es in Griechenland nicht mal im Winter wurde. Wenigstens tropft sie bei dieser Temperatur nicht aus dem Sarg, dachte Stella und verstreute weiträumig Rosenblätter. Zum ersten Mal an diesem Morgen spürte sie Tränen aufsteigen, die aber irgendwo stecken blieben.
    Mechthild war an Krebs gestorben. Plötzlich war sie einfach nicht mehr da, ohne dass sie ihre Freunde über ihre Krankheit informiert hätte. Sie hatte sich heimlich davongeschlichen, weil sie der verquasselten Branche nicht als »die arme Mechthild« das Klatschthema der Woche abgeben wollte.
    Der Friedhofsgärtner öffnete die große Flügeltür und die Trauergäste betraten schweigend die Halle. Erstaunlich viele warengekommen. Ehemalige Kollegen und vor allem Kolleginnen von Mechthild, die sie nach und nach alle überflügelt hatte. Anfangs zu ihrem eigenen Erstaunen, dann aber auch stolz darauf, dass sie als Chefredakteurin nun ein Vorbild für ein erfolgreich gemeistertes weibliches Leben abgab. Eine Karrierefrau, die es bis nach oben geschafft hatte.
    Stella kannte die meisten der Trauergäste, mit einigen hatte sie zusammengearbeitet. Frauen so alt wie sie selbst, Mitte, Ende dreißig, viele älter, kaum jüngere. Alles gut aussehende, in angemessenes Schwarz und doch modisch gekleidete Menschen, denen man inzwischen ansah, wie viel Mühe es sie kostete, morgens die Fassade für den Auftritt in der Medienwelt instand zu setzen. Bei ihrem Anblick wurde Stella plötzlich klar, warum sie sich hinter eine Säule versteckte, statt sich unter sie zu mischen. Sie wollte keine Küsschen auf Wangen drücken, keine Wiedersehensfreude heucheln, sie wollte sich nicht in ihren schiefgetretenen alten Stiefeln und dem geliehenen Mantel taxieren lassen, und sie wollte erst recht nicht beteuern, wie blendend es ihr gehe, um dann das tragische Schicksal der »armen Mechthild« durchzuhecheln.
    Soweit sie wusste, war nirgends das Leben nach Plan gelaufen. Keine hatte die Karriere gemacht, den Mann geschnappt oder die Kinder gekriegt, was sie sich eben so erträumten, damals, als sie alle unter Mechthilds kontrollierender Aufmerksamkeit gemeinsam Zeitschriftenthemen ausdachten, die den Frauen draußen die Wahrheit über das Leben nahebringen sollten. Das war ihr Ehrgeiz gewesen, in selbstherrlicher Missachtung der Tatsache, dass sie selbst von der Wahrheit draußen viel zu wenig Ahnung hatten. Dafür wussten sie aber genau, welche Handtaschen, Schauspieler oder Therapiemoden der Zeitgeist gerade favorisierte. Was wichtig war und modern . Die beiden Adjektive, die jedes Gegenargument und jede Kritik sofort erstickten. Dass ihr wahres Geschäft darin bestand, als Lockvögel des Kapitalismus den Konsum der Leserinnen mit anzukurbeln, hatte nachein paar Jahren jede kapiert, sogar die naivste Kosmetikredakteurin. Die Selbstgerechtigkeit bröckelte, die Enttäuschung über die eigene Durchschnittlichkeit wuchs und grub sich langsam in die Gesichter. Falten nannte man das, ein ganz unschönes Wort in diesen Kreisen. Aber da die Zeiten schlecht waren, klammerten sich diejenigen, die sich nicht in die Mutterschaft flüchten konnten, an ihre Posten und hielten still. In der Hoffnung, das Schicksal würde sie vergessen. Stella betrachtete die Frauen wie Spiegelbilder. Was ist bloß aus uns allen geworden, dachte sie. Eine Ansammlung frustrierter Zicken. Bäh.
    Die anwesenden Männer schienen mit robusterer Ignoranz ihr Schicksal anzunehmen. Verlags-, Marketing- und Vertriebsleiter, Edelfedern, Ressortchefs und Chefredakteure, alle in halblangen, schwarzen Kaschmirmänteln. Über das Privatleben dieser Männer wusste sie wenig, konnte sich aber vorstellen, dass sich Gehaltsentwicklung, die Wahl der Gattin und auch die Aufzucht des Nachwuchses als zufriedenstellend erwiesen. Was Stella nicht im Geringsten tröstete. Ein Glück, dass sich in dieser Trauerhalle nicht die Notwendigkeit ergab, einen heiteren Gemütszustand zu mimen.
    Otto riss sie aus ihren trübseligen Gedanken. Als alle schon saßen und der erste Redner am Pult mit zitternden Händen seine Notizen sortierte, öffnete sich die Tür noch einmal mit unangemessen energischem Schwung und der viertwichtigste Chefredakteur Deutschlands ließ
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