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Es muss nicht immer Mord sein

Es muss nicht immer Mord sein

Titel: Es muss nicht immer Mord sein
Autoren: Imogen Parker
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in Winterklamotten rumtänzeln.«
    Ihr Haar war noch naß vom Duschen. Es war im Nacken
kurzgeschnitten und streng zurückgebürstet. Während es trocknete, hellte sich
seine Farbe allmählich zu einem satten Rostrot auf; einzelne Fransen fielen
nach vorne und ließen ihre attraktiven, eckigen Züge weicher erscheinen. Sie
sagte, sie sei zweiundzwanzig und habe ihres Alters wegen zunehmend Probleme,
Arbeit zu bekommen.
    »Kein Witz, die sind jetzt alle sechzehn oder
siebzehn. Wie auch immer, jetzt wissen Sie über mich Bescheid. Was ist mit
Ihnen? Und wo wir gerade dabei sind — wie wär’s denn, wenn wir uns duzen
würden?«
     
    Bei meinem ersten Job als Zeitsekretärin
entdeckte ich sehr rasch, daß ein Studium in Cambridge, an das sich eine aus
einer bloßen Laune heraus weggeschmissene Position als hochbezahlte Managerin
in einer amerikanischen Bank anschloß, nicht gerade die Art von
Lebensgeschichte war, die einem unter den neuen Kollegen viele Freunde
einbrachte. Aber ich hatte das Gefühl, daß ich Jools nichts zu verschweigen
brauchte, weil sie nicht bei der Bank arbeitete und selbst so freimütig war und
derart direkte Fragen stellte, daß ich zusehends auftaute und ihr einen kurzen
Abriß meiner Lebensgeschichte gab, in dem sogar meine Auftritte als
Stegreifkomikerin vorkamen.
    Wir schienen auf Anhieb miteinander
klarzukommen. Ich mochte ihre nüchterne Art zu reden und ihr hemmungsloses
Lachen. Aus ihren wenig schmeichelhaften Beschreibungen der anderen Models, die
für den Katalog engagiert waren, glaubte ich schließen zu können, daß sie sich
in ihrem neuen Job ebenso einsam fühlte wie ich mich in meinem.
    Meiner Erfahrung nach besteht eines der ersten
Dinge, die man in einer neuen Stellung tun muß — ganz egal, wie lange der
Vertrag läuft — darin, die beste Freundin oder den besten Freund am
Arbeitsplatz zu finden. Gewöhnlich ist das jemand, mit dem man im Büro die
Köpfe zusammenstecken und ein bißchen kichern kann, oder jemand, dem man weit
genug über den Weg traut, um gemeinsam am Freitagabend im Pub Dampf abzulassen.
Eine Art Sicherheitsventil. Es sah nicht danach aus, als würde sich so jemand
im sechsten Stock finden, also war ich hocherfreut, als Jools sagte, sie werde
wohl noch ein paar Wochen in der Nähe sein und mich anrufen, wenn sie das
nächste Mal im Fitneßstudio war. Vielleicht könnten wir dann ja miteinander zu
Mittag essen.
     
    Als ich durch den Händlersaal ging, fühlte ich
mich schon viel besser, und es gelang mir sogar, dem Dollarexperten ein Lächeln
abzuringen. Auf dem Weg zu meinem Büro bemerkte ich, daß der Yen-Händler — der
mit dem rosa-gelb gestreiften Schlips, heute trug er ein rosaweiß gestreiftes
Hemd — versuchte, die unterste Schublade meines Schreibtischs zu öffnen.
    »Hallo«, sagte ich zu seinem Rücken.
    Er stand rasch auf und trat zur Seite.
    »Ich hab’ bloß ’nen neuen Kugelschreiber
gesucht«, sagte er. »Meiner ist leer.«
    »Oh. Hat Denise die gehortet?«
    »Yeah«, sagte er. »Nun regen Sie sich mal nicht
auf.«
    »Ich hole Ihnen einen aus dem Materialschrank,
wenn Sie möchten«, sagte ich als eine Art Friedensangebot.
    »Machen Sie sich nur keine Mühe. Ich leihe mir
einen«, erwiderte er und fügte widerwillig ein nachträgliches »Danke« hinzu.
     
    Martin war nirgendwo zu entdecken. Da er gesagt
hatte, er werde Punkt zwei zurück sein, als er kurz vor Mittag das Büro
verließ, war ich ein bißchen sauer, als er erst gegen fünf wieder auftauchte.
    »Herrgott noch mal, Martin«, sagte ich, als er
sich über meine Schulter beugte und mich mit seiner Whiskyfahne einnebelte.
    »Produktiver Nachmittag?« fragte er mit schwerer
Zunge.
    »Ich hab’ mir ein paar Ideen für Samstag
notiert, weil es nichts Besseres zu tun gab.«
    Ich finde oft nützliches Material für meine
Stegreifnummer, wenn ich einen neuen Job beginne. Ich hatte gerade über die
Bank nachgedacht und mich gefragt, was meine Bühnenfiguren wohl davon halten
würden.
    Bei meinem Auftritt lasse ich gewöhnlich drei
der Charaktere, die ich entwickelt habe, Monologe halten. Im Moment sind meine
Lieblingsfiguren Carrie Caritas — eine überaus ernsthafte Societynudel, die
unfähig ist, eine Party zu geben oder sonst etwas auch nur halbwegs
Unterhaltsames zu tun, ohne daß sie versucht, Spenden für Terre des Hommes oder
irgendeinen anderen guten Zweck zu sammeln; die ein bißchen nuttige Rita
Rammel, die auf Machos alten Schlages steht; und — zweifellos
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