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Es ist nicht alles Gold...

Es ist nicht alles Gold...

Titel: Es ist nicht alles Gold...
Autoren: Marcia Muller
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ich mich entschuldigen?«
    »Lassen Sie, lassen Sie. Das würden Sie
doch nicht verstehen. Um aufs Thema zurückzukommen — ich habe mich heute morgen
mit diesem Cornish unterhalten. Er hat einen Extraschlüssel zu Joan Albrittons
Laden. Der Laden steht Ihnen offen, damit Sie den Warenbestand feststellen
können. Ich hoffe, Sie verstehen etwas von Antiquitäten.«
    »Nein, aber ich werde lernen.«
    »Das bezweifle ich nicht.« Er zündete
sich eine frische Zigarette an und lehnte sich wieder zurück. »Was halten Sie
eigentlich von Cornish?«
    Er fragte wie beiläufig, aber ich war
überzeugt, daß mehr als ein beiläufiges Interesse hinter der Frage steckte.
Vorsichtig sagte ich: »Es ist schwierig, sich ein Bild von Charlie zu machen.
Abgesehen von den zwanzig Jahren, die er mm den Laden in der Salem Street hat,
scheint er keine Vergangenheit zu haben. Joan Albritton bedeutete ihm viel,
aber wieviel genau, weiß ich nicht.«
    Marcus nickte und wartete, daß ich
fortfahren würde.
    »Ich glaube, in der letzten Zeit war
die Beziehung etwas abgekühlt. Joan hat vergangenen Sommer ihren Enkel verloren
— er war achtzehn, und sie hat ihn großgezogen. Charlie sagte zu mir, er hätte
das Gefühl, Joan habe seitdem vieles nicht mehr mit ihm besprechen wollen.«
    »Waren die beiden ein Liebespaar?«
    »Ich denke schon. Früher jedenfalls.
Sie waren immer noch viel zusammen, mal in ihrem Laden, mal in seinem, kochten
ab und zu drüben bei Charlie, und ich glaube, Charlie war manchmal auch bei
Joan in ihrer Wohnung am Potrero Hill. Joan war eine erstaunliche Frau: heiter,
kreativ, energiegeladen. Charlie meinte, der Tod ihres Enkels hätte ihre
Lebenslust gedämpft, aber ich kann mir kaum vorstellen, daß sie noch — vitaler
gewesen sein könnte.«
    »Wie ist der Enkel umgekommen?«
    »Er starb an einer Überdosis.
Rauschgift. Soviel ich weiß, war er hochmusikalisch und hätte im Herbst eine
Ausbildung an der Juilliard School anfangen können. Er und Joan sparten eisern,
damit er diese Chance auch wahrnehmen konnte. Abends spielte er in einer
Rockband. Und da fing die Sache mit den Drogen an; er war schon einmal wegen
Drogenbesitz festgenommen worden und wartete noch auf seinen Prozeß. Sein Tod
war ein entsetzlicher Schlag für Joan — auch deshalb, weil er eigentlich ihre
eigenen Jugendträume verwirklichen sollte.«
    »Inwiefern das denn?«
    »Joan hatte ursprünglich Malerin werden
wollen. Ich glaube, sie hatte an der University of California Kunst studiert.
Aber sie heiratete, die Ehe ging schief, und sie wurde Antiquitätenhändlerin.
Der Enkel war für sie so etwas wie eine zweite Chance.«
    »Und die Eltern des Jungen?«
    »Die starben beide, als er noch ein
Säugling war. Näheres weiß ich nicht darüber. Er war Joans letzter lebender
Angehöriger. Danach blieb ihr nur noch Charlie, und ich vermute, Joan war für
ihn auch der einzige Mensch auf der Welt, der ihm nahestand.«
    Marcus machte ein nachdenkliches
Gesicht.
    »Und das haben Sie alles erfahren,
indem Sie die richtigen Fragen stellten? Und natürlich ohne jemandem Ihre
Ansichten aufzudrängen.«
    Ich zuckte die Achseln. »Ich mache eben
einen vertrauenswürdigen Eindruck.«
    »Ach was?« Marcus hielt inne, um mein
Gesicht zu mustern. »Sie sind indianischer Abstammung, nicht wahr?«
    Ich nickte. »Ja, bei mir ist das
Indianerblut richtig zum Durchbruch gekommen, obwohl nur eine Urgroßmutter von
mir Schoschonin war. Meine Geschwister sind alle blond und sommersprossig.«
    »Interessant«, sagte Marcus. »Sie sind
die einzige, bei der es zum Durchbruch gekommen ist.« Er saß da und sah mich
an. Ich hätte gern weggesehen, aber ich erwiderte den Blick. Sah er mich? Oder
sah er eine andere, eine Frau, die er aus ganz persönlichen Gründen als
»Gegnerin« verstand?
    Marcus brach den Augenkontakt als
erster und stand auf. »Den Bericht des Amtsarztes bekomme ich heute im Lauf des
Tages, falls der Sie interessiert«, bemerkte er, während ich ebenfalls
aufstand. »Sie melden sich?«
    »Selbstverständlich.«
    »Viel Glück bei Ihrem Studium der
Antiquitäten.« Er bot mir die Hand.
    Ich nahm sie kurz. »Danke. Ich hab so
eine Ahnung, daß das ganz schön anstrengend wird.«
    Und unwillkommen ist es dazu, dachte
ich, da mich Antiquitäten einzig als mögliches Mordmotiv interessierten.
     
     
     

5
     
    Als ich in der Salem Street ankam,
hielt am Bordstein vor Joan Albrittons Trödelladen gerade ein schnittiger
weißer Mercedes. Ein kleiner, kräftig
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