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Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman

Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman

Titel: Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman
Autoren: Frank Spilker
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nicht klar. Erst als ich mein Spiegelbild mit dem leuchtend weißen Turban in einer Pfütze erspähe, kann ich mir einen Reim darauf machen und nehme das Handtuch eine Weile wieder herunter. Zum Glück führt der Weg bald von der Straße weg über eine Wiese in bewaldetes Gebiet.
    Kaum bin ich fünf Minuten durch den Wald gelaufen, weiß ich schon nicht mehr, wo ich bin, weder räumlich noch zeitlich. Wenn es einen Ruck im Universum gegeben hätte und ich in die Vergangenheit zurückgeschleudert worden wäre, wäre dies der Ort, an dem ich nichts davon bemerken würde. Kein herumliegender Müll, keine weggeworfene Tageszeitung gibt mir irgendeinen Anhaltspunkt. Und was sind das für Bäume? Sind es Nachfahren der Gewächse, die ich hier als Kind gesehen habe? Oder sind es dieselben? Kann man aus den Pilzen, die aussehen wie umgekehrte kleine Becher, auch trinken? Wie lange dauert die Waldwanderung noch? Warum spricht oder spielt niemand mit mir? Wie langweilig es ist!
    Es greift nach mir, daran besteht kein Zweifel. Das Gestrüpp streckt seine zahllosen Finger nach mir aus. Ich blicke stur nach vorn, sehe aber in den Augenwinkeln genau, wie es sich bewegt. Sogar die vereinzelt von den Bäumen rieselnden Blätter finden ihren Weg direkt in mein Gesicht, statt einfach auf den Boden zu fallen. Ich sehe mich schon begraben unter einem Haufen Laub und beschleunige meine Schritte. Aus dem schnellen Gehen wird vorsichtiges Laufen und schon bald ein Rennen. Ich habe Angst. Die Bäume haben Augen, Hände, Arme, Gesichter. Sie können mich erreichen. Ich weiß es.
    Bald erreiche ich eine Lichtung. Der Wald öffnet sich zu einem Park. Ich durchschreite eine Landschaft, die immer gepflegter wirkt, je weiter ich gehe, beinahe als hätten eben noch Gärtner das Laub geharkt. Rechts und links des Parks sehe ich jetzt Häuser, Pensionen und Hotels den Waldrand säumen. In der Mitte des ganzen Arrangements befindet sich eine Art Bühne in Form einer Muschel. Dahinter wieder ein Gebäude. Vieles scheint hier außer Betrieb zu sein, aber so, als könnte es jederzeit wieder aus seinem Schlaf erweckt werden. Wie ein Jahrmarkt, der nur von Zeit zu Zeit geöffnet ist. Vor der Muschel könnten Stühle stehen. Es könnten Menschen hier sein. Warum gibt es keine Menschen? Ich schaue mir alles sehr lange an. Dann finde ich irgendwann einen Weg, der hinter den Gebäuden aus dem Park hinaus wieder in den Wald führt.
    In Serpentinen geht es nun den Berg hoch. Noch kann ich nichts Besonderes erkennen, wieder nur eine Ansammlung von Häusern, die weiter oben am Hang nicht kleben bleiben wollten und deshalb weiter unten gelandet sind. Nach kurzer Zeit eine Gabelung. Ein Weg führt nach links in gerader Linie auf ein altes Gebäude zu.
    Da ist er. Der Turm. Ich erkenne ihn wieder, obwohl ich ihn so wohl noch nie gesehen habe. So klein und ungefährlich. Dunkel und bedrohlich ragte er einst aus dem Gebäude heraus, an dem er nur ein kleiner Teil, eine Verzierung ist. In einem seit langem vergrabenen Teil meiner Erinnerungen stellt er das Zentrum der Macht dar, die Zelle des Bösen. Ich weiß nicht, was sich darin befindet, wovor genau ich mich fürchte, ich weiß nur, dass es da ist und mich daran hindert, glücklich zu sein. Dabei ist es noch nicht einmal ein Turm. Das, was dort zu sehen ist, ist allenfalls ein Türmchen. Mächtig aufgebläht nur von den Gefühlen des Achtjährigen, der ich einmal war.
    Es riecht nach Moos und Pilzbefall, während ich eine lange, geschwungene Einfahrt hinaufgehe. Zu meiner Rechten befindet sich eine Mauer aus großen Bruchsteinen, in einiger Entfernung voraus kann ich ein schmiedeeisernes Gitter sehen. Dahinter zeichnen sich die Umrisse eines Hauses ab, das aus dem gleichen Material besteht. Es ist deutlich älter als die anderen Gebäude und sieht aus wie eine Villa. Erker und Türmchen. Herrschaftsarchitektur. Aber was stellt es dar? Was ist seine Bestimmung? Es sollte spinnwebenverhangen hinter einer Mauer aus Dornengestrüpp seinem langsamen Verfall entgegengehen, stattdessen entdecke ich dort ein Schild: »Kinderferienhaus«.
    Gleich daneben befindet sich im scharfen Kontrast ein neueres Gebäude aus den fünfziger, sechziger Jahren, ein Zweckbau ohne jede Verschnörkelung. Das Relief an der Frontseite illustriert seine Funktion: Auf dem Bild sind fünf Figuren zu sehen, eine junge Frau und vier Kinder, die sich an den Händen halten und eine Kette bilden. Die Frau in der Bildmitte trägt einen weiten Rock mit
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