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Es gibt kein nächstes Mal

Es gibt kein nächstes Mal

Titel: Es gibt kein nächstes Mal
Autoren: Imogen Parker
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schüttelte den Kopf. Auf der gesamten Rückfahrt
ins Village sagte er kein Wort. Heute hatte ich eine verrückte Engländerin als
Fahrgast, würde er seinen Freunden später erzählen, während sie gemeinsam Hot
dogs aßen, die vierzig Mäuse blechte, um in Brooklyn einen Milkshake zu
trinken!
    Meryl saß bereits am Tisch. Sie trug ein
schwarzweißes Tweedjackett und ein rotes Seidenhemd, da sie anschließend zur
Arbeit gehen würde.
    »Wie du aussiehst!« sagte sie und küßte Gemma
auf die Wange. »Blitzsauber und strahlend frisch. Und ich habe erwartet, daß du
wie eine Putzfrau hier aufkreuzt, mit Schweiß auf der Stirn und von Staub und
Schmutz verkrustet. Womöglich sogar mit einem Kopftuch!«
    »Ich habe das meiste schon am Wochenende
gepackt«, erwiderte Gemma.
    »Du bist unglaublich gut organisiert! Wie kannst
du bloß so unglaublich gut organisiert sein? Ich lasse immer alles bis zur
letzten Minute liegen... Ich wette, du hast dir sogar eine Liste gemacht!«
    Gemma öffnete ihre kleine gesteppte Handtasche,
zog ein schmales Notizbuch in einem Ledereinband heraus, schob es über den
Tisch und lachte über sich selbst. Darin war eine Liste mit der Überschrift
»Büro« enthalten, und jeder einzelne Punkt war fein säuberlich abgehakt. Eine
weitere Liste trug die Überschrift »Zuhause«, und dort fanden sich noch ein
paar wenige Kleinigkeiten, die nicht erledigt waren. Eine dritte Rubrik wurde
unter »Letzter Tag« geführt. Die Aktivitäten des Vormittags hatte sie im Taxi
auf der Rückfahrt von Brooklyn abgehakt.
    »He!« sagte Meryl, »was ist mit meinem Geschenk?
Hier steht >Meryls Geschenk<, aber du hast es noch nicht abgehakt!«
    Gemmas Hand verschwand wieder in ihrer
Handtasche. Sie zog ein kleines Schächtelchen hervor, das in Geschenkpapier
eingewickelt war, und schob es über den Tisch.
    »Oh, so war das doch nicht gemeint... das
hättest du aber nicht...« Meryls Beteuerungen wetteiferten mit ihrer Gier, das
Geschenkpapier aufzureißen. »O mein Gott, die sind ja einfach phantastisch!«
    Meryl hatte immer gesagt, ihr größter Wunsch sei
es, einen Mann zu finden, der ihr Diamantohrringe kaufen würde. In
verzweifelteren Augenblicken ließ sie sich manchmal zu der Aussage hinreißen,
sie würde sich auch mit Rubinen oder sogar mit Halbedelsteinen begnügen.
    »Ich dachte, wenn du die Ohrringe erst einmal
hast, ist es vielleicht nicht mehr ganz so schwierig, den Mann zu finden...«,
deutete Gemma an.
    Die Reaktion ihrer Freundin freute sie sehr. Es
waren nur winzige Diamanten in einer schlichten Fassung aus Weißgold.
    »O mein Gott, du bist viel zu großzügig«,
jammerte Meryl. »Du wirst mir sehr fehlen. Willst du wirklich fortgehen? Bist
du dir deiner Sache auch ganz sicher?«
    Als sie nun mit ihrer besten Freundin in ihrem
Lieblingsrestaurant saß und froh darüber war, das perfekte Geschenk ausgesucht
zu haben, fiel es Gemma schwer zu glauben, daß sie kurz davor stand, all das
aufzugeben, was ihr so angenehm und vertraut war. Sie spürte, wie Panik sie
überfiel.
    »Laß uns bestellen«, sagte sie und kämpfte gegen
den Drang an, hemmungslos zu weinen, wie Meryl es tat, und einzugestehen, wie
unwahrscheinlich nervös sie tatsächlich war und wie ambivalent ihre Gefühle in
Wirklichkeit waren.
    »Ich finde es einfach grauenhaft, daß du heute
all diese Dinge tust, die nach endgültigem Abschied riechen... Du kommst doch
zurück, oder etwa nicht?« schniefte Meryl. »Ich meine, ich weiß selbst, daß du
eine Veränderung brauchst, einen Tapetenwechsel, wem ginge das nicht so? Es
klingt natürlich egoistisch, aber die Vorstellung ist mir unerträglich, dich
für immer zu verlieren...«
    »Ich bin ganz sicher, daß ich zurückkommen
werde«, tröstete Gemma, doch in Wirklichkeit wußte sie es nicht. Sie hatte
keine Ahnung, was passieren würde; fest stand nur, daß sie die Freundschaft zu
Meryl vermissen würde.
     
    Sie hatten einander vor etwa fünf Jahren bei der
amerikanischen Buchmesse kennengelernt. Ein Agent, der sich gern wichtig
machte, hatte sie auf einer Cocktailparty miteinander bekannt gemacht und es so
hingestellt, als handelte es sich bei ihnen um die größten Rivalinnen. Sie
seien beide vielversprechende Lektorinnen, hatte er gesagt; jung, intelligent,
aufstrebend und ehrgeizig.
    Sobald er sie allein gelassen hatte, schnitt
Meryl hinter seinem Rücken eine Grimasse und sagte ziemlich laut: »Wichser!«
    Das war der Beginn einer prachtvollen
Freundschaft.
    Für eine Amerikanerin
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