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Es gibt kein nächstes Mal

Es gibt kein nächstes Mal

Titel: Es gibt kein nächstes Mal
Autoren: Imogen Parker
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Papier aus der
Hand, las den Absatz und reichte ihr den Brief dann wieder. »Und? Was ist
damit?« fragte sie.
    »Es ist Oliver«, warf Gemma ihr gereizt an den
Kopf. Sie hatte nicht gewollt, daß die Worte so herauskamen. »Oliver ist unser
Bruder.«
    »Fehlt dir auch ganz bestimmt nichts?« fragte
Daisy und sah Gemma mit einem besorgten Stirnrunzeln an.
    »Nein, also, ich meine, vielleicht doch,
besonders gut geht es mir nicht, aber was ist mit dir?« sagte Gemma, die über
Daisys ruhige Gelassenheit staunte.
    »Mir fehlt nicht das geringste, aber worauf
willst du mit alle dem bloß hinaus, Gem? Ich fürchte, ich komme einfach nicht
mehr mit.«
    Weigerte sie sich, es zu begreifen, weil die
Folgen dieser Erkenntnis einfach zu gräßlich gewesen wären? Gemma bemühte sich,
es ihr geduldig zu erklären. »Oliver ist adoptiert worden, nicht wahr? Du hast
es mir kürzlich selbst erzählt. Er hat die Suche nach seiner Mutter
aufgenommen, nicht wahr? Er ist 1953 geboren, richtig?«
    »Aber das trifft auf Tausende von Kindern zu«,
erwiderte Daisy.
    »Aber wie viele von ihnen haben ein purpurnes
Muttermal in Form einer Mondsichel auf der Brust?« fragte Gemma leise.
    Sie schlug die Augen nieder. Auf ihren schwarzen
Glacelederschuhen klebten feuchte Halme des frischgemähten Grases. Als sie es
endlich wagte, aufzublicken und ihre Schwester anzusehen, war Daisys Gesicht
von der Anstrengung gerötet, das Lachen zu unterdrücken. »Sei nicht so albern,
Gem«, platzte sie heraus. »Es ist kein Muttermal, es ist eine Narbe von einer
Verbrennung, durch einen Untersetzer aus Metall!«
    »Was? Woher weißt du das?« fragte Gemma
argwöhnisch.
    »Man erfährt eben gewisse Dinge über Menschen, mit
denen man zehn Jahre lang zusammenlebt...«, erwiderte Daisy und lief wieder
weiter.
    »Moment mal. Bist du dir deiner Sache
hundertprozentig sicher?« bohrte Gemma weiter.
    »Natürlich bin ich mir sicher«, erwiderte Daisy
und fügte dann nachdenklich hinzu: »Wie seltsam, daß du dich ausgerechnet an
seine Narbe erinnern kannst...«
    Dann nahm sie Gemmas schuldbewußte Miene wahr
und begriff sofort, was los war. »Ach so, ich verstehe, du erinnerst dich gar
nicht von früher daran, stimmt’s?«
    »Ich habe mich gestern mit ihm getroffen«,
beichtete Gemma.
    Jeder Versuch, es zu vertuschen, war zwecklos.
Es spielte jetzt ohnehin keine Rolle mehr! Sie stand da, lächelte Daisy dämlich
an und wußte nicht, ob sie vor Freude jauchzen oder vor Scham im Erdboden
versinken sollte.
    »Mein Gott, viel Zeit hast du ja nicht gerade
vergeudet, stimmt’s?« sagte Daisy verdrossen.
    »So war es nicht...« Gemma stockte.
    Vielleicht war es tatsächlich so. Sie hatte
keinen Gedanken daran verschwendet, was Daisy davon halten könnte, oder
vielleicht hatte es sie doch beschäftigt, und das war einer der
uneingestandenen Gründe für das Schuldbewußtsein, das sie hinterher verspürt
hatte.
    »Komm schon«, sagte Daisy, »laß uns
frühstücken.«
    Sie stieß die Tür des Cafés auf, und warme, feuchte
Luft schlug ihnen entgegen, die nach Kaffee und brutzelndem Speck roch.
    Daisy bestellte Würstchen, Eier, Bohnen und vier
Scheiben Toast mit Butter.
    Sie war wütend auf Oliver. Sie hatte ihn gestern
im Büro angerufen, um ihm mitzuteilen, daß sie fortgehen würde. Sie hatte das
Gefühl gehabt, das sei sie ihm schuldig, und außerdem wollte sie wissen, was
sie mit den Dingen anfangen sollte, die sie gemeinsam angeschafft hatten. Es
war ein anstrengendes Gespräch gewesen. Irgendwie hatte sie ihm nicht sagen
wollen, wohin sie ging, doch er hatte so lange gefragt, bis sie nachgegeben und
es ihm erzählt hatte, und dann hatte er sie verspottet, und sie war wütend
geworden. Schließlich hatte er abrupt einen vollkommen veränderten Tonfall
angeschlagen und sie nahezu rührend angefleht, sie solle zu ihm zurückkommen.
Er bräuchte sie, hatte er gesagt. Er hatte ihr leid getan, und sie hatte sich
schuldbewußt gefühlt. Und währenddessen, sagte sie sich jetzt, hatte er die
ganze Zeit über gewußt, daß er noch am selben Tag ihre Schwester ficken würde.
    »Es tut mir leid«, sagte Gemma, der der
Gesichtsausdruck ihrer Schwester plötzlich ein wenig Angst einjagte. »Für mich
bitte nur einen Tee«, sagte sie zu dem Mann, der an der Frühstückstheke
bediente.
    »Um Himmels willen, iß etwas, verdammt noch
mal«, explodierte Daisy. »Vergiß zur Abwechslung mal für eine halbe Stunde
deine blöde Figur, damit ich mich neben dir nicht dauernd wie ein
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