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Es gibt kein nächstes Mal

Es gibt kein nächstes Mal

Titel: Es gibt kein nächstes Mal
Autoren: Imogen Parker
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Augen, was hieß,
daß die Augenfarbe sich verändern mußte...
    »Wenn ich mich in Olivers Narbe täuschen konnte,
dann konnte ihr das auch passieren«, sagte Gemma, und ihre Stimme begann zu
zittern, »Und sie hat seine Brust gesehen, das hast du mir selbst erzählt, sie
hat ihn umarmt, am Tag vor eurer Abreise...« Sie hatte das Rähmchen mit dem
Bild von ihrer Mutter und Oliver gefunden, in der drückenden Hitze des
Treibhauses miteinander verschlungen, ein Bild, das sie schon von dem Moment an
aufwühlte, in dem Daisy ihr von dem Vorfall berichtet hatte.
    Jetzt war auch Daisys Gesicht plötzlich ernst
geworden, als die winzigen Teile sich wie ein kompliziertes Puzzle zu einem
Bild zusammensetzten, zu einer grauenerregenden Montage.
    »Ich habe all meinen Kindern das Leben
verpfuscht«, sagte Gemma. »Genau das hat Estella an jenem Abend zu Shirley
gesagt, in der Nacht, bevor...«
    »Sei sofort still!« schrie Daisy.
    Zwei Arbeiter, die gerade die Tür zum Café
aufgestoßen hatten, drehten sich schuldbewußt um und machten Daisy dann den Weg
frei, als sie auf die Tür zurannte, mit Gemma auf den Fersen.
    Daisy rannte durch die Straße. Sie rannte, so
schnell sie konnte. Sie konnte ihre Schritte auf dem Pflaster hören, und sie
konnte spüren, wie die plötzliche physische Anstrengung in ihren Lungen
brannte, doch sie konnte nicht sehen, wohin sie lief, denn das Bild, vor dem
sie unter allen Umständen fliehen wollte, stand immer noch vor ihren Augen und
ließ sich nicht vertreiben. Estella tot, wie sie in ihrem Bett lag. Sie hatte
sich umgebracht, weil ihr Sohn es mit ihrer Tochter trieb.
    »Meine geliebte Tochter, ich hoffe, du wirst
niemals erfahren, warum...«
    »Nein!« schrie Daisy.
    Es war alles ein Irrtum. Estella hatte sich
grundlos umgebracht.
    »Du dumme Frau«, schrie Daisy. »Du dumme, dumme,
dumme...«
    Plötzlich war sie mitten auf der Straße, die am
Rand des Parks vorbeiführte, und ein schwarzes Taxi hatte mit kreischenden
Bremsen angehalten und sie haarscharf verfehlt. Der Fahrer schrie zum Fenster
hinaus: »Warum kannst du nicht schauen, wohin du läufst?«
    »Warum scherst du dich nicht zum Teufel?« schrie
sie ihn an.
    Dann war Gemma da, und Daisy hämmerte mit beiden
Fäusten auf sie ein, und Gemma duckte sich, um den Schlägen auszuweichen. Sie
versuchte, ihre Hände zu packen und sie wie ein hysterisches Kleinkind
festzuhalten.
    »Es ist nicht fair, nicht fair, nicht fair...«,
heulte Daisy und rang keuchend nach Luft.
    »Ich weiß.« Gemma gelang es, beide Arme um sie
zu schlingen und sie so eng wie möglich an sich zu ziehen. »Ich weiß, mein
Liebling, ich weiß.«
    Sie standen eng umschlungen da, in ihrem Kummer
vereint, und beide schluchzten hemmungslos.
    Direkt hinter ihnen begann sich ein Verkehrsstau
zu bilden. Ein Hupkonzert schrillte in Gemmas Ohren und übertönte selbst die
keuchenden Schreie ihrer Schwester.
    »Laß uns gehen. Wir können nicht mitten auf der
Straße stehenbleiben«, sagte Gemma leise und hob den Kopf von Daisys Schulter.
    »Warum denkst du bloß immer so praktisch?«
fragte Daisy schluchzend.
    »Das tue ich doch gar nicht.«
    »Doch, das tust du, jedenfalls wenn du mit mir
zusammen bist«, widersprach Daisy und nahm das Taschentuch entgegen, das Gemma
aus ihrer Tasche gefischt hatte. Sie schneuzte sich lautstark.
    »Schließlich bin ich deine große Schwester, oder
etwa nicht? Ich muß mich doch um dich kümmern.«
    »Ja, da hast du vermutlich recht«, sagte Daisy
und lehnte den Kopf wieder an Gemmas Schulter. Sie fühlte sich wohl.
    »Komm jetzt«, sagte Gemma nach einiger Zeit.
»Laß uns nach Hause gehen.«
    »Was ist mit der Rechnung?« fragte Daisy, als
sie sich langsam auf den Rückweg machten.
    »Ich habe schon beim Bestellen bezahlt«,
erwiderte Gemma.
    »Was für eine verfluchte Verschwendung«, sagte
Daisy, und Gemma war sich nicht sicher, ob sie von dem Frühstück oder vom Leben
ihrer Mutter sprach.
     
    Daisy konnte nicht glauben, daß sie jemals daran
denken könnte, ohne von einer gewaltigen Woge von Schuldgefühlen überflutet zu
werden. Bisher war es ihr nicht möglich gewesen, sich auszumalen, was im Kopf
ihrer Mutter vorgegangen war, als sie die Tabletten geschluckt hatte, doch jetzt
wußte sie es, und sie hielt es für vollkommen unmöglich, mit diesem Wissen
weiterzuleben.
    Gemma sagte ihr immer wieder, es sei nicht ihre
Schuld. Estella hätte getrauert, versicherte sie ihr beharrlich, denn sie
versuchte, das Unfaßbare rational zu
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