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Es gibt kein nächstes Mal

Es gibt kein nächstes Mal

Titel: Es gibt kein nächstes Mal
Autoren: Imogen Parker
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kräftige heiße Wasserstrahl sorgte für eine bessere Durchblutung.
Geplatzte Äderchen verliehen ihrem Gesicht eine kräftige Farbe, doch innerlich
fühlte sie sich immer noch schmutzig. Sie zog einen knöchellangen schwarzen Fortuny-Faltenrock
und eine taillierte weiße Baumwollbluse mit kurzen Ärmeln an. »Wofür hältst du
dich eigentlich, für eine verdammte Nonne, oder was?« hatte Daisy sie bei ihrer
letzten Begegnung angeschrien. Gemma sah in den Spiegel und brachte es fertig, ihr
Äußeres zu belächeln.
    Sie klemmte sich ihre Aktentasche unter den Arm.
Es war noch zu früh, im Büro anzurufen und ihrer Sekretärin zu sagen, daß sie
später kommen würde. Sie glaubte nicht, daß sie es vertreten konnte, einen
weiteren Tag wegen dringender Familienangelegenheiten freizunehmen, aber sie
hatte keine Ahnung, was passieren würde und wie lange es sich hinziehen würde.
Als sie gerade aus dem Haus gehen wollte, sah sie, daß der Anrufbeantworter
blinkte. Sie zögerte ein oder zwei Sekunden, ehe sie die Abspieltaste drückte.
    Die erste Nachricht kam von Ralph, der nur
nachfragen wollte, ob sie gut nach Hause gekommen sei. Okay. Sie konnte das
Murmeln seiner Gäste im Hintergrund hören. Seine Stimme klang besorgt, jedoch
nicht übertrieben besorgt. Ihr Anruf war offenbar überzeugend gewesen. Das
bewirkte jedoch nur, daß sie sich jetzt noch elender fühlte.
    Die zweite Nachricht war von Daisy. »Gemma«,
sagte sie reichlich steif, »ruf mich doch bitte zurück, weil ich dir etwas
ziemlich Wichtiges zu sagen habe.«
    Die dritte und die vierte Nachricht stammten von
Ralph. »Ich wollte nur mal hören, wie es dir geht?« Und dann der rührende Text:
»Tut mir leid, wenn du mit Kopfschmerzen in einem verdunkelten Zimmer liegst,
dann willst du wohl nichts weniger hören als das Läuten des Telefons. Ich
wollte dir nur schnell eine gute Nacht wünschen. Ich hoffe, morgen früh fühlst
du dich wieder besser. Ich liebe dich.«
    Gemma floh aus dem Haus und schlug die Tür laut
hinter sich zu.
     
    Daisy schleppte zwei sehr volle Mülleimerbeutel
die Treppe hinunter in die Eingangshalle, und dann öffnete sie die Haustür.
Gemma stand da und wollte gerade bei ihr klingeln. Ein paar Sekunden lang
starrten die beiden Schwestern einander ungläubig an, und dann sagte Gemma:
»Ich wollte mich für alles entschuldigen, was ich dir angetan habe.« Mit diesen
Worten fiel sie Daisy um den Hals und klammerte sich an ihr fest, als bräche
sie jeden Moment zusammen.
    »Schon gut.« Daisy schlang die Arme um sie.
    Gemma umklammerte sie noch ein paar Minuten lang
schluchzend, und dann hörte sie plötzlich auf zu weinen, wischte sich mit dem
Handrücken über die Augen und sagte: »Weshalb, um Himmels willen, bist du so
früh am Morgen schon auf?«
    Daraufhin kicherten beide.
    »Ich war die ganze Nacht auf und habe meinen Kram
sortiert«, sagte Daisy. »Ich habe viel mehr Zeug, als ich gedacht hätte...«
    Sämtliche Kleidungsstücke, die nicht in einen
einzigen großen Koffer paßten, waren schon am vergangenen Nachmittag zu der
Oxfam-Filiale Hampstead gewandert. Ihren dicken roten Wintermantel hatte sie
eigentlich ihrer Stadtstreicherin schenken wollen, doch dann hatte sie
überlegt, daß es nicht allzu sinnvoll war, in der Hoffnung, sie zu finden, den
ganzen Nachmittag durch die Gegend zu fahren. Zu all dem anderen Kram, den sie
im Lauf der Jahre angehäuft hatte, mußten Entscheidungen getroffen werden.
Einige dieser Entscheidungen waren sehr leicht zu treffen. Der riesige Packen
Zeitungen, der sich im Gästezimmer in einer Ecke stapelte und darauf wartete,
eines Tages gelesen zu werden, wanderte auf direktem Weg in die Tonne für
Altpapier, die an der nächsten Kreuzung stand. Bei anderen Besitztümern erwies
es sich als komplizierter, ob und wie sie sich ihrer entledigen sollte. Lange
Zeit hatte sie sich mit der Frage herumgequält, was sie mit den Fotokopien von
Estellas Briefen, mit dem Fotoalbum und mit dem geschnitzten Holzkästchen
anfangen sollte, das ihre Erinnerungen an ihre Mutter enthielt. Schließlich
hatte sie all diese Andenken in eine Waitrose-Plastiktüte gestopft, in der
Hoffnung auf eine Inspiration, was den Verbleib dieser Gegenstände anging, ehe
sie sich gezwungen sah, die Tüte als Handgepäck mitzunehmen, wenn sie ins
Flugzeug stieg.
    »Laß mich nur schnell diesen Kram neben den
Mülltonnen deponieren«, sagte Daisy. »Dann mache ich uns eine Tasse Kaffee.«
    Gemma sah zu, wie ihre Schwester die
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