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Es gibt kein nächstes Mal

Es gibt kein nächstes Mal

Titel: Es gibt kein nächstes Mal
Autoren: Imogen Parker
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möglicherweise sogar Daisy zu treffen. Sie würde
die Vergangenheit bewältigen, wenn sie sich hier erst einmal eingerichtet
hatte. Aber nicht jetzt. Nicht gleich am ersten Tag nach ihrer Rückkehr.
     
    Kathy erwartete sie um acht Uhr. An einem
Verkaufsstand in der Bond Street kaufte sie ein paar Blumen für sie und Konfekt
von Charbonnel et Walker für die Kinder. Dann stellte sie sich lange unter die
heiße Dusche.
    Ganz auf sich selbst gestellt, schien ihr die
Zeit unglaublich langsam zu vergehen. Es waren zwar noch keine vierundzwanzig
Stunden vergangen, doch ihr erschien es wie eine Ewigkeit, seit sie das letzte
Mal tatsächlich mit jemandem geredet hatte, abgesehen von Bitten, die sie an
Stewardessen, Hotelpersonal und Verkäuferinnen gerichtet hatte. Sie hatte lange
Stunden für sich selbst haben wollen, Zwischenspiele des Friedens, um in Ruhe
über die Zukunft und die Vergangenheit nachzudenken, doch das ärgerliche war,
daß jedesmal, wenn sie innehielt und sich zu entspannen versuchte, wirre
Erinnerungen über sie hereinbrachen. Gedanken und Gefühle von Groll, von denen
sie geglaubt hatte, sie vor zehn Jahren hinter sich zurückgelassen zu haben,
erschienen ihr plötzlich wieder so akut und schmerzhaft wie damals, als der
Groll noch frisch war. Sie hatte geglaubt, sie würde ein paar Tage Einsamkeit
genießen, doch jetzt mußte sie feststellen, daß sie sich nach Gesellschaft
sehnte, um sich von sich selbst abzulenken.
     
    Es war eine breite Straße, wenige Kreuzungen von
der U-Bahnstation Kentish Town entfernt; zu beiden Seiten standen große
Platanen, deren Wurzeln die Pflastersteine gelockert und nach oben gedrückt
hatten. Obwohl die Uhren am Wochenende vorgestellt worden waren und der
Frühling jetzt offiziell begonnen hatte, waren ihre Blätter immer noch zu
harten braunen Knospen zusammengerollt. Eine Straßenseite lag bereits im
Schatten, und die frühe Abendsonne sendete keine Wärme.
    Gemma steckte die Hände in die Taschen und
bereute ihre optimistische Wahl einer Leinenjacke. Es herrschte immer noch
Wintermantelwetter. Sie konnte Kathys Haus schon vom Ende der Straße aus sehen.
Das mit dem Magnolienstrauch, hatte Kathy gesagt. Es stand auf der noch
sonnigen Seite der Straße, und die Tulpen leuchteten und reflektierten die
letzten schwachen Strahlen der Abendsonne wie weiße Wachskerzen. Es war ein
frühviktorianisches Reihenhaus. Drei Stockwerke und ein kleiner Vorgarten, den
ein wunderschöner Baum vollständig einnahm. Sie drückte auf die Türklingel, und
als sie zur Vorderfront des Hauses aufblickte, fiel ihr auf, wie ein
neugieriges kleines Gesicht von einem der hohen Fenster im ersten Stock
verschwand.
    »Was hast du mit deinem Haar angestellt?« Kathy
hielt in einem Arm ein einjähriges Kind, als sie die Tür öffnete.
    Gemmas Hand hob sich instinktiv zu ihrem Kopf.
    »Ich meine, es sieht phantastisch aus!« Kathy
beugte sich so weit wie möglich vor und küßte Gemmas Wange. »Paß bloß auf, daß
dieses Kind dir die schöne Jacke nicht ruiniert. Der Kleine hat eine leichte
Erkältung, und wenn du ihn hochnimmst, wird er dich vollständig vollrotzen.«
    »Die Jacke ist waschbar«, sagte Gemma.
    Das schien eine seltsame Begrüßung zu sein, wenn
man bedachte, daß sie ihre beste Freundin schon seit Jahren nicht mehr gesehen
hatte, doch sowie Kathy die Tür geöffnet hatte, war es, als seien nur wenige
Tage vergangen, seit sie einander das letzte Mal begegnet waren.
    In ihrem letzten Jahr in Oxford ergab es sich
oft, daß sie in der Radcliffe Camera eine Nische miteinander teilten, und
hinterher fuhren sie gemeinsam auf ihren Rädern los und plauderten und lachten,
bis sie den Kreisverkehr erreichten, an dem sie in verschiedene Richtungen
weiterfahren mußten. Kathy zu Roger, Gemma zu Oliver. Wenn sie einander das
nächste Mal trafen, nahmen sie das Gespräch dort wieder auf, wo sie es hatten
abreißen lassen, sozusagen mitten im Satz, als hätte die Zeitspanne, die
inzwischen verstrichen war, gar nicht existiert. Dasselbe Gefühl stellte sich
auch jetzt wieder ein.
    Gemma folgte Kathy durch den Flur zur Küche im
hinteren Teil des Hauses. Er kam ihr schmaler vor, als er es in Wirklichkeit
war, was an einem Stapel von Mänteln lag, die seitlich auf die Wand getürmt zu
sein schienen und der Schwerkraft trotzten. Auf dem Fußboden lagen überall
Schuhe und hohe Gummistiefel in verschiedenen Größen herum.
    »Ich weiß, was du jetzt denkst«, sagte Kathy.
»Nicht wie in alten Zeiten,
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