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Es gab keinen Sex im Sozialismus - Legenden und Missverständnisse des vorigen Jahrhunderts

Es gab keinen Sex im Sozialismus - Legenden und Missverständnisse des vorigen Jahrhunderts

Titel: Es gab keinen Sex im Sozialismus - Legenden und Missverständnisse des vorigen Jahrhunderts
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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schmolz. Manchmal sammelten wir dieses Gras zu einem Haufen und machten Feuer. Der Rauch stieg in den Himmel, es roch nach Frühling. Mein Nachbar erzählte mir, wenn man eine Dose mit Haarlack in einem Glas ins Feuer stelle, fliege sie wie eine Rakete in den Himmel. Mitte April, pünktlich zum Tag der Kosmonautik, legten wir mehrere solcher Dosen ins Feuer. Sie benahmen sich unterschiedlich, die meisten brannten einfach ab, aber eine schoss mir direkt ins Gesicht, und ich wurde erneut am Kopf genäht.
    Ein Jahr später entdeckte der gleiche Nachbar am Elektromast hinter unserem Haus ein kleines Türchen. Wir konnten uns überhaupt nicht vorstellen, wozu ein Mast ein solches Türchen brauchte und was sich dahinter versteckte. Mein Nachbar brach das Türchen auf, ich steckte meine Hand hinein, es machte klick , ich bekam einen tollen Verband und durfte zwei Wochen lang die Schule schwänzen.

    Im Winter spielten wir bei minus zwanzig Grad Eishockey auf dem Hof, zwischen einer Mülltonne und einer Garage. Das Garagentor diente uns als Tor. Ich lief mit herausgestreckter Zunge hin und her, hatte Durst und machte an dem Tor einen kurzen Halt. Ich kann es mir heute nicht wirklich erklären, was mich damals dazu bewegte, am Garagentor zu lecken. In weniger als einer Sekunde klebte meine Zunge am eisernen Tor fest. Der Krankenwagen kam erst eine Stunde später, zuvor hatte man mich mit eiskaltem Wasser vom Tor gelöst. Ich wurde nicht genäht, aber jedes Mal, wenn ich jetzt eine Garagentor-Werbung sehe, bekomme ich ein Brennen auf der Zunge.
    In der Schule gingen wir zum Schwimmunterricht in die Schwimmhalle Moskau, die einzige Badeanstalt unter freiem Himmel. Eine lange Marmortreppe führte ins Wasser. Einmal wollte ich ein bisschen angeben, nahm ordentlich Anlauf und machte einen Kopfsprung. Am Ende fehlten mir jedoch zwei, drei Stufen bis zum Wasser. Aus einem Köpper wurde ein Bauchklatscher auf der Treppe. Das Wasser um mich herum färbte sich rot. Ich wurde noch in der Schwimmhalle von einem Badearzt genäht.
    Später, in der Armee, ereigneten sich ähnliche Unfälle, die nichts mit militärischer Ausbildung, sondern nur mit der eigenen Dummheit zu tun hatten.
Dreimal wurde ich auch in verschiedenen Berliner Krankenhäusern nach kleinen Unfällen genäht, deren Ursache in der zu schnellen Bewegung in zu dunklen Räumen und an allzu schlecht beleuchteten Baustellen lag. Mein Kopf ist voller Nähte. Eine heilende Tablette gegen alles wurde mir nie verabreicht.

Unbekannte fliegende Objekte
    Aufmerksame Leser beschweren sich gelegentlich in ihren Briefen, dass ich nur Kurzgeschichten und keine Romane schreibe. Sie fragen, ob ich nicht endlich etwas Größeres in Angriff nehmen will. Ich verweigerte bisher die ehrliche Antwort, weil sie so banal ist: Ich habe fast alle meine Geschichten aus Zeitmangel und Langeweile im Zug geschrieben. Mit meinem Schriftstellerglück erwischte ich dabei fast ausschließlich alte ICE-Züge, die breite, muffige Sessel, aber keine Steckdosen haben. Der Akku in meinem Laptop reichte für maximal fünfundvierzig Minuten, deswegen waren die Geschichten lange Zeit extrem kurz. Vor
einem Jahr legte ich mir noch einen zusätzlichen Akku zu, woraufhin die Geschichten etwas länger wurden, aber ein Roman ist trotzdem nicht drin. Deswegen blicke ich manchmal nostalgisch zurück auf die Zeit, als man noch alles per Hand schrieb. Mit Zunge im Mundwinkel und Tintenflecken an den Fingern habe ich mich als Schüler bemüht, jeden Buchstaben einzeln aufs Papier zu kritzeln. Langsamkeit lag damals in der Luft. Egal, was man vorhatte, es vergingen Jahre, ehe man damit fertig wurde. Damals waren Computer noch nicht erfunden, und eine elektrische Schreibmaschine konnte einem mit ihrem schnellen Zack-Zack Schrecken einjagen. In den Kinos lief gerade der erste Terminator an, Zigaretten waren billiger als Brot, und einen Taschenrechner zu haben, galt als schick.
    In dieser wunderbaren Zeit trafen die Menschen überall und weltweit auf unbekannte fliegende Objekte. Diese Objekte in Form von Feuerkugeln oder Untertassen flogen entweder an ihren Fenstern vorbei, oder sie hingen einfach in der Luft. Manchmal landeten sie in ländlichen Gegenden, wobei sie grüne und schwarze Spuren hinterließen – Ovale, Quadrate und komplizierte geometrische Zeichen.
    Aber auch ohne diese UFOs herrschte damals kein Mangel an unerklärbaren Phänomenen. Im Norden
wütete der Schneemensch Yeti, die Fotos seiner Fußabdrücke in der
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