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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen
Autoren: Jules Verne
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bewegte und sich manchmal mit der Hand auf den Nacken schlug und immer wieder sagte: »Das
A …
das
A …!
Gut!«
    Der Dicke wälzte sich mit rollenden Hüften vorwärts und rauchte eine saxophonförmige Pfeife, der ganze Fluten weißlicher Wolken entströmten.
    Ich starrte sie mit weitoffenen Augen an, da erblickte mich der Große und winkte mich zu sich heran.
    Ehrlich gesagt, ich hatte ein wenig Angst, aber schließlich ging ich das Wagnis ein, und er fragte mit einer Stimme, die wie das Falsett eines Chorknaben klang: »Das Haus, wo der Priester wohnt, Kleiner?«
    »Das Haus, wo … das Pfarrhaus …?«
    »Ja. Kannst du mich hinführen?«
    Ich fürchtete, daß der Pfarrer mir einen Verweis erteilen würde, wenn ich ihm diese beiden Individuen bringe – besonders den Großen, dessen Blick mich fesselte. Ich hätte gerne nein gesagt. Aber es war unmöglich, und schon strebte ich dem Pfarrhaus zu.
    Als wir noch etwa fünfzig Schritte davon entfernt waren, zeigte ich auf die Tür und brachte mich rennend, in Sicherheit, während der Türklopfer drei Achtel-und dann eine Viertelnote anschlug.
    Auf dem Dorfplatz erwarteten mich ein paar Kameraden zusammen mit Herrn Walrügis. Dieser fragte mich aus, und ich berichtete, was geschehen war. Man schaute mich an … Denkt bloß!
Er
hatte mit mir gesprochen!
    Aber das, was ich zu erzählen wußte, brachte uns nicht viel weiter hinsichtlich der Gründe, welche die beiden Männer nach Kalfermatt geführt hatten. Warum das Gespräch mit dem Pfarrer? Wie war wohl sein Empfang gewesen? Und hoffentlich war ihm kein Unheil zugestoßen oder seiner Magd, einer Frau von ehrwürdigem Alter, die manchmal etwas wirr im Kopf war!
    Alles erklärte sich am Nachmittag.
    Der seltsame Typ – der größere – hieß Effarane. Er war Ungar, zugleich Künstler, Orgelstimmer und Orgelbauer, der Reparaturen ausführte, von Stadt zu Stadt zog und mit diesem Beruf seinen Lebensunterhalt bestritt.
    Er war es gewesen, das war leicht zu erraten, der am Abend zuvor, nachdem er mit dem anderen, seinem Gehilfen und Balgtreter, die Seitentür benutzt hatte, in der alten Kirche den Widerhall hervorgerufen hatte, indem er einen Sturm von Wohlklängen entfesselte. Aber nach seinen Worten benötigte das teilweise schadhafte Instrument einige Reparaturen, und er anerbot sich, sie zu einem sehr günstigen Preis auszuführen. Mit Zeugnissen belegte er seine Befähigung zu solchen Arbeiten.
    »Machen Sie es, bitte … machen Sie es!« hatte der Pfarrer geantwortet, sich beeilend, das Angebot anzunehmen. Und er hatte hinzugefügt: »Zweimal sei dem Himmel Dank, uns einen so bedeutenden Orgelbauer wie Sie zu schicken, und dreimal würde ich dem Himmel danken, wenn er uns auch einen Organisten bescheren würde …«
    »Ach, so ist also der arme Eglisack …?« fragte Meister Effarane.
    »Taub wie eine Nuß. Sie kennen ihn?«
    »Nun, wer kennt den Mann der Fuge nicht?«
    »Es sind nun schon sechs Monate her, seit er nicht mehr in der Kirche spielt und auch nicht mehr an der Schule unterrichtet. Deshalb haben wir an Allerheiligen eine Messe ohne Musik abgehalten, und wahrscheinlich werden wir an Weihnachten …«
    »Machen Sie sich keine Sorgen, Herr Pfarrer«, entgegnete Meister Effarane. »Ich kann die Reparaturen bis in vierzehn Tagen beenden, und wenn Sie wollen, werde ich mich, wenn Weihnachten erst da ist, an die Orgel setzen.«
    Und während er sprach, bewegte er seine endlos langen Finger, zog sie wie Gummischläuche in die Länge und knackte mit den Gelenken.
    Der Pfarrer dankte dem Künstler mit freundlichen Worten und fragte ihn, was er von der Kalfermatter Orgel halte.
    »Sie ist gut«, erwiderte Meister Effarane, »aber unvollständig.«
    »Und was fehlt ihr denn? Hat sie nicht vierundzwanzig Register, ganz zu schweigen vom Register der menschlichen Stimmen?«
    »Nun, was ihr fehlt, Herr Pfarrer, ist gerade das Register, das ich erfunden habe und womit ich solche Instrumente auszustatten versuchte.«
    »Welches Register denn?«
    »Das Register der Kinderstimmen«, entgegnete der sonderbare Kerl und richtete seine lange Gestalt auf. »Ja, ich habe diese Ergänzung ersonnen! Es wird das Ideal sein, und dann wird mein Name besser klingen als die Namen von Fabri, von Kleng, von Erhart Smid, von André, von Castendorter, von Krebs, von Müller, von Agricola, von Kranz, die Namen von Antegnati, von Costanzo, von Graziadei, von Serassi, von Tronci, von Nanchinini, von Callido, die Namen von Sébastien Erard,
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