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Erwachen

Erwachen

Titel: Erwachen
Autoren: Julie Kenner
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fragte ich.
    »Alice?« Sie klang völlig erledigt. »Wie spät ist es?«
    »Wo bist du?«, wiederholte ich.
    »Ich bin in Los Angeles«, antwortete sie. Allmählich klang sie etwas lebendiger. »Kannst du dir das vorstellen? Dienstlich! Eine dringende Dienstreise, und das an meinem ersten Arbeitstag!«
    Ich legte auf. Wenn ich sie sah, würde ich behaupten, die Verbindung wäre unterbrochen worden. Jetzt konnte ich nicht weiterreden. »Mit ihr ist alles in Ordnung. Sie ist es nicht. Wir machen weiter.«
    Ich wollte das Handy schon wegstecken, sah dann aber doch nach, wer angerufen hatte. Drei der Anrufe stammten von Clarence. Vermutlich stand er vor meiner Wohnung und wartete auf meinen Bericht über den Mord an Pater Carlton.
    Die anderen beiden waren von Rose.
    Mit wachsender Furcht wählte ich meine Mailbox an und hörte Rose’ zaghafte Stimme.
    »Ja, also, Alice, ich … ach Gott, das ist so blöd. Ich kenne Sie ja nicht mal. Aber ich habe immer noch das Gefühl, dass jemand … Egal. Ich weiß auch nicht. Ich wollte einfach nur mit Ihnen reden. Rufen Sie mich doch zurück.«
    Dann hatte sie aufgelegt. Stirnrunzelnd übersprang ich die nächsten Nachrichten bis zur letzten, die ebenfalls von Rose war.
    »Im Moment läuft es echt beschissen. Und Sie haben ja gesagt, Sie wären Lilys Freundin, also hoffe ich, dass Sie nicht sauer sind. Egal, ich nehme jedenfalls mal an, ein Taxi ist nicht zu teuer, oder? Ich hoffe, Sie arbeiten. Weil ich Sie unbedingt treffen möchte. Also werde ich das hoffentlich. Sie treffen, meine ich. Ich nehme das Handy von meinem Dad mit.« Bevor sie auflegte, rasselte sie noch die bekannte Nummer herunter.
    Entsetzt sah ich zu Deacon hoch. »Sie war auf dem Weg hierher.« Hektisch tippte ich Joes Nummer ein. Als sich sofort der Anrufbeantworter einschaltete, hätte ich das verdammte Handy am liebsten gegen die Wand geknallt.
    »Du glaubst doch nicht, er würde ein Mädchen … das einfach so von draußen reingeschneit kommt…«
    »Ich glaube, wenn er ursprünglich Gracie vorgesehen hatte, dann war er ganz schön verzweifelt. Und ich glaube, er hat sich schon vorher Mädchen von der Straße geholt. Wir müssen uns beeilen.«
    Ich nickte. Meine Kehle war wie zugeschnürt, als ich verzweifelt versuchte, den Schlüssel ins Schloss der Hintertür zu bekommen. Ich konnte - ich würde - meine Schwester nicht noch einmal im Stich lassen.
    »Ich bringe diesen Hurensohn um!« Meine Stimme klang belegt. »Ich schwöre, für das, was er Alice angetan hat, bringe ich ihn um. Für das, was er Rose anzutun versucht. Und ich werde ihn langsam und qualvoll sterben lassen.«
    Deacon sah mich an, und einen Moment lang dachte ich, er wolle mir widersprechen. Ich wollte nichts hören, denn er hätte nichts, absolut nichts vorbringen können, was Egan das Leben hätte retten können.
    »Ich werde ihn für dich festhalten.«
    Unsere Blicke trafen sich. Ich nickte. Und öffnete die Tür.
    Was auch immer wir da drin vorfinden würden - wir würden es gemeinsam in Angriff nehmen

42
     
     
    Es war bereits kurz vor Sonnenaufgang, als wir die Kellertreppe hinunterrasten und die Wand nach der Metalltür absuchten, über die am Tag zuvor meine Finger geglitten waren.
    Nichts.
    Ich schluckte. Panik erfasste mich. Rose. Ich durfte Rose nicht verlieren.
    Ich trat gegen die Wand, als könne ich die Tür damit zwingen, sich zu zeigen. Nichts.
    »Verdammt!«
    »Egan«, sagte Deacon. »Geh rauf. Ich bleibe hier. Versuch rauszufinden, wie man reinkommt.«
    Ich war schon halb die Treppe hoch, bevor er zu Ende gesprochen hatte. Durch die Küchentür stürmte ich in den dunklen Schankraum und sah erleichtert, dass Egan dort auf und ab lief. Er drehte sich um, erblickte das Messer in meiner Hand und wurde blass. »Alice!«
    »Wie komme ich rein? Wie finde ich die Tür, du verlogener Mörder?«
    Er riss die Augen weit auf und ließ das Salzfass fallen, das er gerade geputzt hatte. Der weiße Putzlappen hing in seiner Hand wie eine Friedensflagge. »Ich … was ist los … ?«
    Damit war er am Ende seiner Konversationskünste und rannte auf die Eingangstür zu. Aber bevor er sie erreichen konnte, hatte ihn das Messer im Oberschenkel bereits zu Boden geworfen.
    Sofort war ich neben ihm und packte den Messergriff. »Sag es mir! Sag es mir, oder ich drehe das Messer so lange hin und her, bis ich eine Arterie erwische. Weißt du, wie kräftig das Blut aus einer Arterie heraussprudelt?«
    Er öffnete den Mund, sagte aber nichts.
    Ich
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