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Erste Male

Erste Male

Titel: Erste Male
Autoren: Megan McCafferty
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beiden ich dringender sehen muss. Wenn Marcus tatsächlich die männliche Entsprechung zu Hope ist, nach der ich immer gesucht habe, ist sie dann überflüssig? Nein. Kann nicht sein. Darf nicht sein.
    Wie unfair, dass in meinem Leben massenhaft Platz fürLeute ist, die ich nicht ausstehen kann, dass ich mich aber zwischen den beiden einzigen echten Freunden, die ich je hatte, entscheiden muss. Wieso kann ich nicht beide haben?
    VIERUNDZWANZIGSTER
    Heute war die beste Weihnachtskarte aller Zeiten im Briefkasten, in Sternform gefaltet, abgestempelt in Bangor, Maine.
    MERRY XMAS
    Die Zeit ist gekommen
    für feuerfeste Nadelbäume
    von Sprühschnee bedeckt
    der nach Kiefern duftet
    Weihnachts-Hip-Hop
    von Teen-Diven fabrikverpackt
    begleitet vom Ein-Mann-Orchester
    am Synthesizer
    Trunkene Weihnachtsmänner an
    jeder Tankstelle
    Und der Krippentechnik neuster Schrei:
    »Hear the baby Jesus cry!«
    Gibt es noch echte Küsse
    in einer Welt voll
    künstlicher Misteln?
    Merry Xmas 2000
    FÜNFUNDZWANZIGSTER
    Bethany und G-Money sind schon wieder weg, keine zwölf Stunden nach ihrer Ankunft – und davon haben sie acht verschlafen. Sie sind auf dem Weg zum Flughafen, wo sie einen Flieger zu den Turks- und Caicosinseln besteigen werden, um die Feiertage bis Neujahr mit G-Moneys Familie zu verbringen.
    Bethany hatte versäumt, meine Eltern davon zu unterrichten, und holte das erst nach, als wir unsere gegenseitigen Geschenke aufgemacht hatten und uns an den Frühstückstisch setzen wollten. Nat King Cole sang schmeichelnde Weihnachtslieder, das Haus roch nach Zimtschnecken und Tannennadeln, der Baum glitzerte, allen war vor Feiertagsstimmung warm ums Herz – der perfekte Augenblick also für Bethany, den Grinch zu spielen und alles zu verderben.
    Als mein Vater ihre Ankündigung hörte, schnappte er sich seine Jacke, rannte zur Garage, sprang aufs Fahrrad und murmelte dabei die ganze Zeit Verdammte Scheiße . G-Money saß wie üblich nutzlos am Küchentisch rum. Ich musste mich also allein um meine Mutter kümmern.
    »Ich kann es nicht fassen, Bethany«, rief Mom. »Du hast versprochen, die Feiertage bei uns zu verbringen! Wieso habt ihr uns das nicht früher erzählt?«
    »Das hab en wir nich t getan, weil wir wusst en , ihr würde t überreagier en .«
    Seit unserem letzten Gespräch hatte Bethany offenbar ihren aufgesetzten Europa-Akzent gegen die klare, überdeutliche Aussprache eingetauscht, die man bei den oberen Zehntausend beiderseits des Atlantiks hört. War allerdings genau so albern, da sie ja inzwischen an der Pazifikküste wohnte.
    »Überreagieren?«, schrie Mom unter Tränen. »Ich habedich seit der Hochzeit nicht gesehen, und du hältst es nicht mal einen ganzen Tag bei uns aus! Wir haben Weihnachten, Herrgott noch mal!« Sie stürmte aus der Küche und schloss sich im Bad ein.
    Bethany schmollte. »Es war schon recht umstä nd lich, überhaup t herzukomm en . Und dies is t der Dank für den Versuch, eine gute Tocht er zu sein.«
    »Weißt du was, Bethany? Tu uns den Gefallen und versuch es nicht wieder.«
    »Was soll das d enn bedeut en ?«
    »Das heißt, du brauchst uns nicht mit deiner Anwesenheit zu beehren, wenn du dich wie die allerletzte Zicke aufführen willst.«
    Die Beleidigung ging bei ihr zum einen Ohr rein, zum anderen wieder raus. »Genu g gerede t !«, rief sie und schwenkte ihre von Diamanten übersäten Finger vor meiner Nase. »Wir müss en Mut ter aus dem Bad hol en .«
    »Der erste anständige Satz, seit du hier bist.«
    Vielleicht ist Bethany doch nicht so ein Ungeheuer, dachte ich. Vielleicht ist sie in der Lage, auch an jemand anderes als sich selbst zu denken.
    »Mein Make-up is t noch da drinn en . Das is t für meinen Urlaub unverz icht bar.«
    In diesem Augenblick beschloss ich, egal, wie pissig meine Eltern sich benahmen – und das war bekanntlich nicht zu verachten –, niemals würde ich so werden. Niemals.
    Make-up hin oder her, Mom blieb bis zu Bethanys und G-Moneys hektischem Aufbruch im Bad. Ich konnte sie schließlich mit Versprechungen von heißem Apfelwein und Keksen überreden, rauszukommen. Langsam machte sie die Tür auf.
    »Du hast deine Schwester ›allerletzte Zicke‹ genannt …«
    Na toll, dachte ich. Schon wieder Hausarrest. Gibt es eigentlich keine Gerechtigkeit?
    Sie krallte die Finger in die Haare, als wollte sie jedes einzelne ausreißen.
    »Ich bin froh, dass du es vor mir gesagt hast.«
    Mom und ich saßen vor dem Weihnachtsbaum, schlürften heißen
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