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ErosÄrger

ErosÄrger

Titel: ErosÄrger
Autoren: Jennifer Schreiner
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Worte an, die meinen Mund verlassen wollten. Sätze der Entschuldigung, der Reue, des Bedauerns. Aber was hätten Worte jetzt noch genutzt?
    »Wir wollten dir danken.«
    »Danken?« Es gelang mir, die Tränen zurückzuhalten, als Lukas hustete und dabei beinahe so angegriffen klang wie seine Frau.
    »Natürlich.« Die Kranke strich über meine Hand und rief eine Gänsehaut hervor, die sich über meinen ganzen Körper zog. »Ohne dich hätten wir schließlich nie zueinander gefunden.«
    »Ja, genau.« Ich setzte mich auf den Rand des Krankenhausbettes.
    »Es ist nicht deine Schuld!« Lukas nahm meine andere Hand und drückte sie energisch. »Du darfst keinen Moment lang denken, es sei deine Schuld.«
    »Oh nein, Kleines.« Mina schlug mir auf die Finger und der Schmerz war so unerwartet, dass er mich aus meinem Mitleid riss. »Es war meine Entscheidung. Ganz allein meine.«
    »Aber wenn ich nicht …«
    »Wenn du uns nicht vermittelt hättest, würde ich leben. Gesund und munter und wahrscheinlich für den Rest der Ewigkeit allein und unglücklich.« Die Stimme der Kranken, eben noch leise und verbraucht, war nun scharf und sich ihrer Aussage sehr sicher.
    »Aber du würdest leben …«, versuchte ich trotzdem.
    »Nein …« Mina schüttelte den Kopf und einen Augenblick lang glaubte ich einen Hauch des alten Glanzes der Walküre zu erkennen, dann verflog der Eindruck. Der Gegensatz ließ das Sterben noch schmerzhafter in mein Bewusstsein treten. »… ich würde bloß nicht sterben. Gelebt habe ich vorher nie.« Als sei ich schwer von Begriff, fügte Mina hinzu: »Das
IST
ein Unterschied und war meine eigene Entscheidung!«
    Ich nickte, obwohl ich immer noch nicht vollständig überzeugt war. Manchmal waren Logik und Gefühle einfach nicht miteinander vereinbar. Schließlich wusste ich, dass es so richtig war, wunderschön und so theatralisch, dass es einer bittersüßen Operette gleichkam. Wenn die beiden glücklich waren, wer war ich dann, es nicht auch zu sein?
    »Ich werde dich vermissen.« Ich beugte sich vor und hauchte Mina einen Kuss auf die Stirn. Mit ihr würde ein Teil meiner Selbst sterben. Der Teil, der zum Zeitpunkt der Liebesvermittlung glücklich gewesen war, ein Kind. Mina schloss die Augen, zu geschwächt, um wach bleiben und der Unterhaltung weiter folgen zu können.
    »Euch«, korrigierte Lukas. Ich sah ihn verwirrt an. Dann folgte ich seinem Blick zu Taschentuch, das er sich beim Husten vor den Mund gehalten hatte. Es war mit Blut besprenkelt.
    »Meine Lunge …«, erklärte er und zuckte mit den Achseln, als spiele es ohnehin keine große Rolle mehr, dass die alte Verletzung aus dem ersten und letzten magischen Krieg, ihn nun – fünfundzwanzig Jahre später – doch noch niederstrecken würde. »Irgendwann ist der menschliche Körper eben zu alt, um noch auf die magischen Mixturen anzuspringen.«
    Tatsächlich klang Lukas zufrieden und gut gelaunt. Mit einem Lächeln, welches Mina und mich mit einschloss, griff er nach der kleinen Ampulle, die auf Minas Nachttisch stand und leerte sie mit einem Schluck. Doch mein Blick war an der Spritze hängengeblieben, die ebenfalls dort lag. Langsame Erkenntnis kroch durch meine Adern und ließ mich zittern, noch bevor ich wirklich begriff.
    »Du muss es tun, Li…« Lukas verstummte, als eine Krankenschwester ohne anzuklopfen die Tür öffnete und das Zimmer betrat. Schuldbewusst verbesserte er: »… liebe Katlyn.«
    Er wartete, bis die Schwester die Monitore geprüft, die intravenöse Sauerstofftherapie ausgeschaltet und mit den besten Wünschen das Sterbezimmer wieder verlassen hatte. »Bitte Lil.«
    »Das kann ich nicht.« Ich schüttelte den Kopf und deutete das näherkommende Geräusch einiger Einsatzfahrzeuge mit Martinshorn als Zeichen.
    »Bitte!«
    »Das ist Mord.«
    »Nein, es ist eine Gnade«, behauptete Lukas mit einer Gewissheit, die ich unheimlich fand. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich froh über den Krach, den Einsatzfahrzeuge veranstalteten, denn er gab mir die Chance mich ablenken zu lassen. Lukas und Mina meine Hände entziehend, stand ich auf und trat zum Fenster. Drei Etagen tiefer, hatten sich einige Polizei- und Krankenwagen zu einem Einsatztrupp formiert. Ich konnte nicht sehen, was vor sich ging, aber in Anbetracht der wimmelnden Uniformierten musste es etwas Großes sein. Ich schloss die Augen.
    »Das Leben kann so schnell vorbei sein, Lil.« Lukas Stimme klang wissend und ließ einen kalten Schauer über meinen Rücken
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