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Ernteopfer

Ernteopfer

Titel: Ernteopfer
Autoren: Harald Schneider
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polnischer Staatsbür ger. Auch eine zeitlich beschränkte Arbeitserlaubnis war bei seinen Papieren. Er hat als Erntehelfer bei einem Groß markt in Limburgerhof gearbeitet. Laut Genehmigungs stempel ist er seit gut vier Wochen in Deutschland.«
    Angewidert musste ich mich mit Brechreiz abwenden. Dr. Metzger packte tatsächlich eine schon ziemlich rei fe Banane aus seinem nicht gerade besonders sauberen Kittel aus, schälte sie und begann langsam schmatzend zu essen.
    Ich hatte nun Gelegenheit, mir das Opfer näher an zuschauen. Ein noch recht junger Mann, schätzungswei se Anfang 30. Seine offenen Augen hatten etwas Über raschtes an sich. So, als wäre er bis kurz vor seinem Ende ahnungslos gewesen. Blut war fast keines zu sehen. Der Schlag auf den Schädel musste sofort gewirkt haben. Und doch stimmte hier etwas nicht. Irgendetwas passte nicht zusammen. Ich stand da und überlegte.
    »Na, was ist, Palzki. Sie können ihn ruhig anfassen, er ist nicht schmutzig und er wehrt sich auch garantiert nicht mehr.«
    Metzgers Späße waren auch schon mal besser gewesen. In diesem Moment kam mir die Erleuchtung.
    »Ein Erntehelfer war er, haben Sie vorhin gesagt?«
    »Ja, so steht es jedenfalls in seinen Papieren.«
    »Was macht so ein Erntehelfer den ganzen Tag?«
    »Was weiß ich? Vielleicht bei der Ernte helfen?«
    »Sehr kluge Antwort, Herr Doktor. Damit können Sie sich bei Günther Jauch bewerben. Und welchen Monat haben wir im Moment?«
    »Also, wenn das die 64.000-Euro-Frage ist, dann bin ich jetzt um einiges reicher. Wir haben Juni.«
    »Sie werden immer besser. Jetzt schauen Sie sich die Leiche mal genau an. Dieser Mann, so wie er hier liegt, soll seit vier Wochen als Erntehelfer täglich dem Sonnenlicht ausgesetzt gewesen sein? Er hat so viel Bräune im Gesicht und an den Armen wie Sie nach Ihrem halben Jahr Nor wegenurlaub in einer Kellerwohnung.«
    Dr. Metzger erstickte fast an einem Stück Banane, das er sich gerade in den Mund gesteckt hatte. Ich schlug ihm ein paar Mal zwischen die Schulterblätter, bis es ihm wieder besser ging.
    »Mensch, Palzki, Sie haben recht, das passt nicht zu sammen. Erstaunlich, dass Sie darauf gekommen sind, Sie hätten Kriminalist werden sollen.«
    Ich lachte pflichtbewusst über diesen dummen Gag und sah ihn an. Klar, Metzger war neidisch, weil ihm das nicht aufgefallen war.
    »So, jetzt wollen wir mal versuchen, unsere Vermutung zu verifizieren.«
    Ich bückte mich und hob die rechte Hand des Toten hoch. Ich zeigte sie Dr. Metzger.
    Metzger steckte die Bananenschale in seinen Kittel und kniete sich nun ebenfalls neben die Leiche.
    »Sie haben recht, Palzki. Diese Hände gehören kei nem Saisonarbeiter. Es sind äußerst gepflegte Hände und weisen keinerlei Ackerkrume oder Ähnliches unter den Fingernägeln auf. An der ganzen Geschichte ist irgend was oberfaul. Ich bin mal gespannt, ob das wirklich seine eigenen Papiere sind.«
    Das wars nun endgültig mit dem Wochenende und den Kindern. Ich musste unbedingt Stefanie anrufen. Je frü her, desto besser. Doch es würde wahrscheinlich sowieso in einem riesigen Desaster enden.
    Dr. Metzger hatte inzwischen dem danebenstehenden Beamten das Leintuch abgenommen und über die Leiche gelegt. Bevor das Bestattungsunternehmen an die Reihe kam und die Leiche abtransportieren konnte, musste erst einmal die Spurensicherung fertig sein.
    »Wer hat den Toten gefunden?«, wandte ich mich nun an den mir namentlich unbekannten Beamten.
    »Hier drüben.«
    Er wies mit seiner rechten Hand zu einer vielleicht 12 köpfigen Gruppe, die in 50 Metern Entfernung in Arbeits kleidung neben dem Weg auf dem Boden saß.
    »Das ist eine Studentengruppe unter der Leitung von Professor Doktor Otto Müller, die hier in der Gewanne Reuschlache Ausgrabungen macht.«
    Ich hatte diese Leute ja schon bemerkt, hatte aber kei ne vernünftige Erklärung für ihre Anwesenheit auf dem Feld gehabt.
    Während ich mich auf den Weg zu den Studenten mach te, fiel mir wieder ein, dass direkt gegenüber auf der ande ren Seite der ICE-Trasse der Fundort des goldenen Hutes aus der Bronzezeit war. Immerhin war der Hut das Wahr zeichen von Schifferstadt. Vor über 170 Jahren hatte ein Bauer ihn hier aus seinem Acker gezogen, in dem er über
    3.000 Jahre gelegen hatte. Das Original habe ich letztes Jahr mit meinen Kindern im Historischen Museum der Pfalz in Speyer bewundert.
    Als die Ausgrabungsgruppe mich auf sich zukommen sah, standen die Studenten und ihr Professor erwartungs voll
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