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Ernteopfer

Ernteopfer

Titel: Ernteopfer
Autoren: Harald Schneider
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auf. Sie sahen allesamt recht verstört aus.
    »Guten Tag, meine Damen und Herren. Mein Name ist Palzki, Kriminalhauptkommissar Reiner Palzki. Ich bin verantwortlich für diesen Fall. Können Sie mir bitte ganz genau erzählen, was sich abgespielt hat?«
    Der einzige ältere Mann in der Gruppe trat vor. Er über ragte mich um Kopfeslänge. Gut zwei Meter, schätzte ich seine Größe und sein Gewicht jenseits der 120-Kilogramm grenze. In seinem Blaumann wirkte er keineswegs wie ein Akademiker, sondern eher wie ein Tiefbaumonteur.
    »Professor Müller ist mein Name. Erfreut, Sie kennen zulernen.«
    Er streckte mir seine Hand hin und schüttelte sie, als hätte er keine Hände, sondern Hydraulikplatten wie in der Autoverwertung. Vermutlich brauchte er außer seinen Händen keine weiteren Grabwerkzeuge. Die Feinmotorik meiner rechten Hand dürfte vorübergehend dem Stand eines Neugeborenen entsprechen. Ich hielt die Luft an und zum Glück gelang es mir, einen Schmerzenslaut zu unterdrücken. Professor Müller redete weiter.
    »Wir sind wie jeden Tag gegen 9 Uhr hier angekommen. Unsere Wagen stehen in der Joseph-Haydn-Straße. Von dort führt ein kleiner Fußgängertunnel unter der alten Bahnlinie hindurch. Das ist der kürzeste Weg, um aufs Feld zu kommen. Wir haben dann unser Metallgerätehaus aufgeschlossen und wollten gerade mit unserer Arbeit be ginnen, als Dietmar Becker den Toten gefunden hat.«
    Er zeigte auf einen seiner Studenten, was aber nicht nötig war, da Becker sich bereits aufgeregt in den Vorder grund gedrängt hatte.
    »Guten Tag, Herr Kommissar«, begann er nervös und trat mir erst mal mit voller Wucht auf den Fuß.
    »Oh, entschuldigen Sie bitte, das war keine Absicht.«
    Er trat einen Schritt zurück und rammte dabei einen seiner Kommilitonen.
    »Langsam, langsam«, versuchte ich ihn zu beruhigen. Wieder einer von der hyperaktiven Sorte, dachte ich mir.
    »Ja, ist schon okay. Ich kann Ihnen dazu auch nicht viel sagen. Ich habe geholfen, die Geräte aus dem Schuppen zu tragen. Bevor es dann richtig losgehen sollte, musste ich noch mal pinkeln. Das wollte ich natürlich nicht vor versammelter Mannschaft tun. Deshalb ging ich ein paar Meter den Weg entlang und entdeckte das rote Hemd des Toten. Ich ging bis auf drei oder vier Meter an ihn ran, aber mir war sofort klar, dass da nichts mehr zu machen war. Deshalb lief ich sofort zu den anderen zurück und Professor Müller rief postwendend die Polizei.«
    »Hm, das ist nicht gerade viel. So wie es im Moment aussieht, muss die Tat erst unmittelbar vor ihrer Ankunft passiert sein. Haben Sie zufällig noch jemanden gesehen?«, fragte ich in die Runde.
    »Nein, hier ist fast nie was los«, entgegnete der Pro fessor. »Doch, da war ein Mann mit Fahrrad und Hund unterwegs. Ich glaube es war ein Schäferhund oder so was in der Richtung.«
    »Ah, das ist ja immerhin schon etwas. Haben Sie sehen können, ob der Radfahrer am Fundort der Leiche vorbei geradelt ist?«
    »Da habe ich nicht so drauf geachtet, aber ich glaube, er fuhr eher da drüben entlang.«
    Müller deutete dabei in die entgegengesetzte Rich tung.
    »Na ja, vielleicht hilft uns das trotzdem weiter. Es kommt gleich ein Kollege von mir, der wird noch Ihre Personalien aufnehmen. Falls Ihnen doch noch etwas ein fallen sollte, scheuen Sie sich nicht, mich anzurufen.«
    Ich übergab dem Ausgrabungsprofessor meine Visi tenkarte.
    »Ach, noch was«, ergänzte ich.
    »Heute können Sie da leider nicht weitergraben. Ich denke aber, dass die Spurensicherung das Gelände mor gen wieder freigibt.«
    Ich verabschiedete mich und ging zurück. Diese Studenten hätten doch nur ein paar Minuten früher anfan gen müssen, dann wäre der Mörder vermutlich überrascht worden. Oder war diese Gruppe vielleicht sogar selbst in die Sache verstrickt? Nein, das wäre jetzt doch zu weit hergeholt. In einem Krimi von Agatha Christie würden die Studenten wahrscheinlich am Ende des Buches als kol lektive Mördergruppe verhaftet werden. Hier handelte es sich aber um die Realität, nicht um eine fantasiereich aus gedachte Geschichte irgendeines Krimiautors. Dennoch nahm ich mir vor, Müller und seine Studenten ausgiebig zu durchleuchten.
    Die Leute von der Spurensicherung waren in ihrem Element. Überall krochen sie herum, steckten Schilder in die Erde und fotografierten eifrig.
    Für mich gab es hier nichts weiter zu tun. Dr. Metzger war inzwischen verschwunden. Ich lief den Weg zurück zur Mutterstadter Straße und nahm mir
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