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Erntedank

Erntedank

Titel: Erntedank
Autoren: Volker Michael; Klüpfel Kobr
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schau, Erika, jetzt hab ich auch magische Kräfte«, sagte Kluftinger spöttisch zu seiner Frau, als er die Türe ihres Hauses in Altusried aufschloss. »Ich steck den Schlüssel ins Schloss und – Abrakadabra schwuppdiwupp – ist die Türe auf!« Er drehte sich zu ihr, blickte sich in beide Richtungen um, neigte seinen Kopf und flüsterte verschwörerisch: »Das kommt von der Kraft des Illerwassers.«
    Seine Frau seufzte. »Ja, ja. Mach du dich ruhig über mich lustig. Macht mir nix aus. Ob du das jetzt glaubst oder nicht, ist mir rechtschaffen egal.«
    Erika Kluftinger ließ sich von den Spötteleien ihres Mannes nicht die Laune verderben: Immerhin hatte sich der Kemptener Kriminalkommissar einen Bonus erwirtschaftet, weil er – freilich nachdem sie einige Überzeugungsarbeit geleistet hatte – mitten unter der Woche einen Tag frei genommen hatte, um mit ihr zum Einkaufen nach Immenstadt zu fahren. Dort konnte man das nach Erikas Überzeugung viel gemütlicher als in Kempten, wo es – erst recht jetzt, nachdem das große neue Einkaufszentrum gebaut worden war – ziemlich hektisch zuging. Positiv schlug sich auf seinem Bonus-Konto außerdem die Tatsache nieder, dass er sich recht kooperativ gezeigt hatte, als es darum gegangen war, drei neue Hosen – darunter sogar zwei Jeans –, mehrere Hemden, zwei Pullover und eine wetterfeste Übergangsjacke zu kaufen.
    Und was Erika nicht minder froh machte, war, dass auch sie einige Kleidungsstücke gefunden hatte, die, so versicherte sie glaubhaft, absolute Schnäppchen waren, was nun wiederum ihn sehr froh machte.
    Anschließend hatte sie die Idee gehabt, noch beim so genannten »Ort der Kraft« am Illerwehr bei Martinszell vorbeizufahren. Ihren Ehemann dazu zu überreden, war für sie ein Akt der Kraft gewesen, aber schließlich hatte er eingewilligt. Dass sie es tatsächlich geschafft hatte, erfüllte sie zu einem Drittel mit Freude, zum anderen Drittel mit dem sicheren Gefühl, ihren Gatten ganz gut dorthin lenken zu können, wo sie ihn haben wollte, und zum letzten Drittel mit blanker Verwunderung.
    Denn er rühmte immer seine – beruflich bedingte – Rationalität und hielt ihr gerne lange Vorträge darüber, dass die Donnerstags-Horoskope in der Zeitung, die sie für besonders zutreffend hielt, auch nicht besser waren als der ganze andere »AstrologieSchmarrn«.Vielleicht lag seine Nüchternheit daran, dass er als Kripo-Kommissar beruflich damit beschäftigt war, Rätsel zu entschlüsseln und nur an das zu glauben, was er sah.
    Der »Ort der Kraft« war für Kluftinger also ein rotes Tuch und das nicht erst, seit die Medien das Thema vor einigen Jahren entdeckt hatten. Laufend war damals über Menschen berichtet worden, die zu dem kleinen Wehr am Fluss pilgerten, weil dort am Wasser angeblich ein besonderes Kraftfeld bestehe, das Kranke heilen und auch sonst für Entspannung und mehr Lebenskraft sorgen würde. Er hatte als Kind oft an der Iller gespielt, weniger Schnupfen als andere Kinder hatte er deswegen aber nicht gehabt. Kluftinger tat solche »Spintisierereien« in Diskussionen gerne mit der lapidaren Feststellung ab, dass er Heilung entweder in bewährten Hausmitteln oder gleich in Penicillin finde, Entspannung beim Bergsteigen oder gleich vor dem Fernseher suche und Lebenskraft ihm vor allem seine geliebten Kässpatzen mit Zwiebeln oder gleich der abendliche halbe Liter Bier aus seinem Steingutkrug verleihe.
    Aber nun hatte er sich extra für seine Frau frei genommen, was kostete es ihn da schon, noch an diesem Kraftort vorbeizufahren? Außerdem boten sich dort zahlreiche Gelegenheiten, sie mit ihrem »Geistermist« aufzuziehen.
    Erika schob ihn durch die Haustür in den Flur und lehnte ihre beiden Einkaufstüten an das alte Nussbaumbüffet, das bei Kluftingers einfach »Gangschrank« hieß und Platz für allerlei Zettel, das Telefon und sonstige »wichtige Dinge« bot und somit das organisatorische Zentrum ihres Haushalts bildete. Mit dem Zwetschgendatschi, den sie auf dem Heimweg gekauft hatten, ging Erika in die Küche und stellte das Päckchen neben die Kaffeemaschine.
    »Jetzt gibt’s dann einen Kaffee, ich zieh bloß noch schnell die Jacke aus«, rief sie ihrem Mann zu, der an der Garderobe stand und seine Hausschuhe anzog, hölzerne Clogs mit Kuhfellkappen.
    »Soll ich Sahne schlagen?«, fragte Erika, obwohl sie die Antwort ihres Mannes bereits wusste, der sagen würde, ein Zwetschgendatschi ohne Sahne sei wie Kässpatzen
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