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Erntedank

Erntedank

Titel: Erntedank
Autoren: Volker Michael; Klüpfel Kobr
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vorhanden. Jedenfalls war das, was davon übrig war, als Auge kaum mehr zu identifizieren. Kluftinger wandte sich ab. Er stand auf und ging schnell ein paar Schritte in Richtung der Bäume. Er tat so, als würde er den Tatort inspizieren, aber er war sich sicher, dass er niemandem etwas vormachen konnte. Direkt hinter den Bäumen fiel das Gelände stark ab, genau wie er es vermutet hatte. Er lehnte sich an einen Baum und atmete tief durch. Nach wenigen Atemzügen glaubte er, sich wieder im Griff zu haben.
    »Kannst ihn mitnehmen«, sagte er zu Böhm. Als er sah, wie die Beamten den Vogel von der Brust des Toten hoben und ihn in einen durchsichtigen Plastiksack steckten, stellten sich seine Nackenhaare auf. Zum ersten Mal seit vielen Jahren hätte er jetzt gern wieder eine Zigarette geraucht.
    Er sah sich um. Erst langsam machte der Anblick des Toten den weiteren Eindrücken des Fundorts Platz. Kluftinger suchte nach seinen Kollegen. Maier stand noch immer verloren in der Hofeinfahrt. Strobl hatte er noch nicht entdeckt. Aber auf den wollte er jetzt auf gar keinen Fall verzichten. Er ließ seinen Blick so lange über das Gelände wandern, bis er seinen strohblonden Haarschopf sah. Er stand an der Ecke des Bauernhauses und war in ein Gespräch mit einem bärtigen Mann in Arbeitshose und Gummistiefeln vertieft. Kluftinger winkte, um auf sich aufmerksam zu machen, doch Strobl bemerkte ihn nicht. Stattdessen fühlte sich Maier von seinem Winken angesprochen und ging zögernd auf den Kommissar zu. Dabei huschte sein Blick immer wieder in Richtung der Leiche, die gerade von vier Beamten auf eine Trage gehoben wurde. Kluftinger seufzte und setzte sich ebenfalls in Bewegung, allerdings in Richtung Strobl.
    Als er an der Leiche vorbeikam, drehte sich sein Kopf wie ferngesteuert in Richtung des Toten. Der Kopf des Mannes lag nun so, dass seine Halswunde noch weiter auseinander klaffte. Kluftinger wandte sich mit Grausen wieder ab. Doch das Bild vor seinen Augen blieb. Der Kommissar stoppte. Er konnte es sich nicht erklären, aber die Einzelheiten fielen ihm oft erst auf, wenn er den Blick schon abgewandt hatte. Als würde sein inneres Auge viel schärfer sehen. Auch jetzt war es so: Etwas lag in der Wunde.
    Er machte kehrt. »Halt, wartet, noch nicht«, rief er den Kollegen zu, die gerade den Reißverschluss des dunklen Plastiksacks zuziehen wollten, in den sie den Toten gelegt hatten. Er beugte sich über den Toten und neigte seinen Kopf hin und her. Er war so konzentriert, dass er gar nicht darüber nachdachte, was er da eigentlich tat. Ohne den Vogel hatte der Anblick des Toten außerdem etwas von seinem Schrecken verloren. Verdutzt sahen ihn die Beamten an. Böhm, der bereits auf dem Weg zum Wagen gewesen war, hatte die Szene mitbekommen und machte kehrt.
    »Suchst du was Bestimmtes?«, fragte er.
    »Ich weiß nicht. Irgendwas ist da, schau doch mal.«
    »Wo? Ich seh nichts!«
    Kluftinger zeigte mit dem Finger auf eine Stelle am Hals. Dabei drehte er den Kopf angewidert etwas zur Seite. Jetzt sah Böhm es auch.
    Er pfiff anerkennend. »Du musst ja Adleraugen haben.«
    Er streifte sich einen Gummihandschuh über und näherte sich der Wunde. Kluftinger ging zwei Schritte zurück und beobachtete, wie Böhm ein pfenniggroßes, weißes Stück Plastik hervorzog. Er stand auf, betrachtete es von allen Seiten und hielt es dann ratlos Kluftinger unter die Nase, was diesen veranlasste, noch weiter zurückzuweichen.
    »Was meinst du … ?«
    Kluftinger runzelte die Stirn. »Sieht aus wie ein Stück … Papier … vielleicht auch Folie oder so.«
    Böhm zuckte mit den Achseln. »Ich schau mir das mal an.«
    Mit diesen Worten steckte er seinen Fund in eine Plastiktüte und ließ einen skeptisch dreinblickenden Kommissar zurück.
    ***
    Als Kluftinger bei seinem Kollegen Strobl ankam, stand dieser noch immer bei dem bärtigen Mann. Der saß kreidebleich auf der Bank neben der Eingangstür zum Wohnhaus. Seinen Kopf hatte er in die Hände gestützt, seinen Blick starr auf den Boden gerichtet. Strobl schien etwas ratlos, was er mit ihm anfangen sollte.
    Kluftinger fasste ihn an der Schulter und zog ihn ein paar Meter zur Seite.
    »Wer ist das?«, fragte er.
    »Der Bauer. Er hat ihn gefunden. Scheint ziemlich durch den Wind zu sein. Ich hab versucht mit ihm zu reden, aber bis jetzt ist nicht viel dabei rausgekommen.«
    »Ich versuch’s mal.«
    Kluftinger ließ sich ebenfalls auf der Bank nieder. Er betrachtete ihn von der Seite. Die
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