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Erntedank

Erntedank

Titel: Erntedank
Autoren: Volker Michael; Klüpfel Kobr
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einem »Bin sofort da« beendete er das Gespräch.
    Sichtlich betroffen zog er sich seine Strümpfe wieder an und schlüpfte in die Schuhe. Seine Frau, die ihn die ganze Zeit aus dem Türrahmen des Badezimmers beobachtet hatte, fragte ihn nicht, wohin er wolle. Sie sagte nur: »Was Schlimmes?«
    Kluftinger erhob sich, ging langsam zum Bad und antwortete angespannt: »Ich muss unbedingt weg.« Dann drehte er sich um und ging. Nach ein paar Schritten wandte er sich noch einmal um: »Tut mir Leid, dass ich dich mit dem … «, er ließ seine Hand unbestimmt in der Luft kreisen, » … allen allein lassen muss. Glaub mir, es geht nicht anders.«
    Erika spürte, dass es ernst war.
    ***
    Die Fahrt nach Rappenscheuchen dauerte nur etwa zehn Minuten, aber Kluftinger kam die Zeit länger vor. Sein schlechtes Gewissen plagte ihn. Nicht nur, weil er seine Frau in dieser prekären Lage allein gelassen hatte, sondern vor allem, weil er regelrecht erleichtert war, dass er sich mit dieser Situation jetzt nicht mehr herumschlagen musste.
    Sein schlechtes Gewissen sollte ihn jedoch nicht lange beschäftigen. Als er die letzten Kurven vor dem kleinen Weiler Zollhaus zwischen Krugzell und Kempten nahm, sah er schon von weitem die Polizeiwagen rechts oberhalb der Straße. Blaulichter zuckten hektisch, ein Krankenwagen stand mit geöffneten Türen in der Einfahrt des ersten Bauernhofes auf dem kleinen Hügel, mindestens ein Dutzend Polizisten lief geschäftig zwischen den Autos umher. Neben den uniformierten Beamten schien auch die Spurensicherung bereits vor Ort zu sein. Als Kluftinger seinen Blick wieder auf die Straße richtete, erschrak er. Mit aller Kraft stieg er aufs Bremspedal und stemmte seine Arme gegen das Lenkrad. Die Reifen quietschten, als das Auto schlagartig an Geschwindigkeit verlor. Die vor ihm fahrenden Autos bewegten sich nur noch im Schritttempo. Offenbar waren die Fahrer sehr interessiert an dem, was oberhalb der Straße vor sich ging.
    Die Zornesröte stieg Kluftinger ins Gesicht. Wütend hämmerte er mit der Faust auf die Hupe. Wenn es etwas gab, was er hasste, waren es Gaffer. Sein Vordermann deutete ihm mit einigen Handbewegungen an, was er von seinem Gehupe hielt, beschleunigte dann aber seine Fahrt wieder. Wenn Kluftinger Zeit gehabt hätte, hätte er ihn gerne für die eben begangene Beleidigung zur Kasse gebeten.
    Auf der Höhe der großen Gewächshäuser, bei denen er sich immer fragte, ob man für die dort kultivierten Pflanzen keinen besseren Platz hatte finden können als direkt neben einer viel befahrenen Straße, bog der Kommissar rechts ab.
    Er zog die Brauen nach oben bei dem Gedanken, dass er Rappenscheuchen, an dem er ungezählte Male auf dem Weg nach Kempten vorbei gefahren war, nun auf diese Weise kennen lernen würde. Der etwas beleibte, grauhaarige Polizist, der an der Abzweigung dafür sorgte, dass sich keine Unbefugten mehr nach oben verirrten, winkte den Kommissar durch. Sie kannten sich von vielen gemeinsamen Dienstjahren und so nahm Kluftinger es ihm auch nicht übel, als er ihm ein »Das war aber ganz schön knapp grad!« durchs offene Fenster zurief. Obwohl die Ortschaft, die eigentlich nur eine Ansammlung weniger Höfe war, erst etwa hundertfünfzig Meter oberhalb der Abzweigung begann, dort, wo die Straße nach links in die hügelige Landschaft bog, musste Kluftinger seinen Wagen schon nach wenigen Metern abstellen. Bis hier unten standen die Polizeiautos.
    Wortlos, nur mit einem Kopfnicken als Gruß, schob sich der Kommissar zwischen den Fahrzeugen an den Beamten vorbei. Er versuchte, leise zu schnaufen, denn er wollte nicht, dass die Kollegen merkten, dass ihm schon dieser kleine Aufstieg zu schaffen machte. Obwohl er sich seit Jahren zu keiner Diät durchringen konnte, wollte er nicht als unsportlich oder gar dick gelten.
    Eine vertraute Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.
    »So, haben wir dich bei der Kneippkur erwischt?«, fragte Maier, der ihn von oben hatte kommen sehen und ihm entgegengelaufen kam.
    Kluftinger verstand nicht. Erst als er Maiers Blick an seinen Beinen entlang nach unten wandern sah, war ihm klar, was sein Kollege meinte. Er hatte seine Hose umgeschlagen, damit sie beim Abschöpfen des häuslichen Hochwassers, dem er gerade entkommen war, nicht nass wurde. Das Wasser hatte sich aber doch einige Zentimeter nach oben gesogen, wie er jetzt bemerkte. Kluftinger ging in die Hocke, um das Beinkleid wieder auf die gesellschaftlich erwünschte Länge zu
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