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Erfindung der Violet Adams

Erfindung der Violet Adams

Titel: Erfindung der Violet Adams
Autoren: L Rosen
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verheiratet, und auch die Ehefrauen der Adligen und Staatsangestellten werden dort sein. Außerdem, Mrs Wilks, scheint Ihnen entgangen zu sein, dass auch Poeten verheiratet oder Damen sein können.«
    »Eine Dichterin ist wohl kaum eine Dame«, widersprach Mrs Wilks.
    »Ich finde das eine ganz ausgezeichnete Idee«, mischte sich Mr Adams ein. »Da kann Violet sehen, wie sich eine Dame in der Öffentlichkeit benimmt, selbst wenn sie nicht zur besseren Gesellschaft gehört. Wir können schließlich nicht zulassen, dass du auf den Bällen nur über Sprungfedern und mechanische Hebel sprichst, nicht wahr, mein Liebes?«, sagte er mit funkelnden Augen.
    »Natürlich nicht, Vater«, antwortete Violet scheinheilig.
    »Also gut. Ihr könnt schon im Oktober fahren. Aber Ashton, pass auf, dass die Kunst, die sie zu sehen bekommt … sittsam ist.«
    »Selbstverständlich, Vater«, beteuerte Ashton und grinste Mrs Wilks an, die die Stirn runzelte.
    »Ich wünsche dir eine sichere Reise, Vater«, sagte Violet. »Und wenn du dich daran erinnerst, dann mach ein paar Notizen, wie das Luftschiff funktioniert – dampfbetrieben, das ist klar, aber wird es mit einem Hebel gesteuert oder durch einen Luftdruckmechanismus? Und wenn Letzteres der Fall ist, wie viele Tanks gibt es? Und wo sind sie angebracht?«
    »Ich werde versuchen, es herausfinden«, versprach Mr Adams seufzend. »Und jetzt winkt mir nach, wenn ich fahre.«
    Die beiden traten in den Regen hinaus, der deutlich nachgelassen hatte. Die Kutsche war voll bepackt mit den Koffern von Mr Adams und wartete nur noch auf ihn. Sie wurde von zwei starken Rappen gezogen. Nicht zum ersten Mal dachte Violet, wie praktisch es wäre, wenn ihr Vater eine der neuen dampfbetriebenen Kutschen kaufen würde, die keine Pferde benötigten und schneller fuhren, doch bis jetzt hatte er sich all ihren Bitten widersetzt.
    Mr Adams stieg in die Kutsche, bevor er richtig nass wurde. Mit einem letzten Blick zu seinen Kindern klopfte er an das vordere Fenster. Der Fahrer fuhr an und lenkte die Kutsche aus dem Hof in die Auffahrt. Bis die Kutsche außer Sichtweite war, blieben Violet und Ashton draußen stehen, Ashton winkte ihr sogar mit dem Taschentuch hinterher. Mrs Wilks stand noch immer in der Tür, ihre Unterlippe zitterte leicht. »Ihr wollt also nach London, ja?«, fragte sie, und ihre Augen wurden so groß, als sähe sie schon jetzt die Gefahren, die ihnen auflauerten.
    »Genau, Mrs Wilks, aber erst im Oktober, wenn die Saison beginnt. Sie haben uns also noch den ganzen Sommer hier!«, sagte Ashton lächelnd, bevor er sich vorbeugte, sie auf die Wange küsste und ins Haus lief, um sich an der Harfe zu versuchen, für die er seiner Meinung nach echtes Talent entwickelte.
    Violet versuchte, an der verwunderten Mrs Wilks vorbeizuschlüpfen, doch die hielt sie am Arm fest. »Du wirst dich doch wie eine anständige junge Dame benehmen, nicht wahr?« Mrs Wilks legte Violet die Hand auf den Arm. »Euer Vater ist ein guter Mann, aber er scheint sich nicht darüber im Klaren zu sein, wie gefährlich die Stadt für eine junge Dame sein kann. Du wirst nichts tun, was ihm Schande bringt, versprochen?« Sie sah Violet mit bettelndem Blick und zitterndem Kinn von oben bis unten an.
    »Ich bin stets eine gute Tochter«, sagte Violet und lächelte unschuldig. Allerdings konnte sie Mrs Wilks damit nicht täuschen, die schon vor langer Zeit gelernt hatte, dass Violet nichts als Unsinn im Kopf hatte. Sie wusste zwar, dass Violet ein gutes Herz besaß, doch sie war auch eigenwillig und unabhängig und nicht im Mindesten wie andere junge Damen. Mrs Wilks liebte ihren Schützling so, wie sie war, doch sie fürchtete, dass Violets freimütige Art sie eine Tages in Schwierigkeiten bringen würde, aus denen sie ihr nicht heraushelfen konnte. Deshalb sah sie Violet noch einen kleinen Moment länger an, in der Hoffnung, durch diesen Blickkontakt etwas von ihrer eigenen Reserviertheit an das Mädchen weiterzugeben, bis Violet sie noch einmal freundlich anlächelte, knickste und durch die Halle zu ihrem Schlafzimmer ging.
    Das Anwesen, das den Namen Messaline trug, war eines jener großen, alten Herrenhäuser der wissenschaftlichen Elite dieser Zeit, direkt vor den Toren Londons gelegen. Einst war es in natürlichen Brauntönen gehalten gewesen, die dem Geschmack der seligen Mrs Adams entsprochen hatten, doch in den letzten Jahren hatte Ashton einiges zur Modernisierung beigetragen, und ein paar auf den ersten Blick ins
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