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Erfindung der Violet Adams

Erfindung der Violet Adams

Titel: Erfindung der Violet Adams
Autoren: L Rosen
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der Schule. Der Durchgang war eine geniale Baumaßnahme, die er selber veranlasst hatte, damit sein Kommen und Gehen schwerer zu beobachten war. Von außen unterschied sich die Tür nicht von der Mauer, festes Mauerwerk mit wenigen in den Stein gemeißelten Abbildungen von Triebwerken und den Gesichtern einiger berühmter Erfinder. Doch durch einen leichten Druck auf die Nase eines hässlichen Robert Barren öffneten sich die Steine quietschend nach vorne.
    Er schlich die dunkle Treppe im Inneren hinunter und landete im Keller, der nach Chemikalien, Metall und Wasser roch. Ohne eine Leuchte zu benutzen, schritt er durch die labyrinthartigen Gänge, die ihn schließlich zu einem unterirdischen Bahnhof brachten, in dem ein kleiner Zug wartete. Das alles war sein Werk – der Bahnhof, der Zug, der labyrinthartige Keller, die Akademie selbst. Und nun lag er im Sterben, und niemand kannte all das so gut wie er. Wie Puzzleteile hatte er sein Wissen auf verschiedene Personen verteilt. Das gesamte Bild war zu viel für eine Person. Diese würde in Versuchung geraten, sich wie ein Gott zu fühlen. Und die Zeit der von Menschen erschaffenen Götter war vorüber. Im oberirdischen Teil, in der Akademie, würde sein Sohn regieren, sobald er sie ihm übergeben hatte, doch hier, in diesem Keller, mit diesem Zug … Er hoffte, dass sein Sohn nie davon erfahren würde.
    Obwohl es für den alten Mann große Anstrengung bedeutete, machte er sich ans Werk, den Zug langsam fahruntauglich zu machen. Er arretierte die Bremsen so, dass sie nicht ohne Weiteres wieder gelöst werden konnten. Er brauchte mehrere Stunden, und als er endlich fertig war, war er müde und schmutzig, eine Schicht aus Schweiß und Schmiermittel überzog ihn wie eine Kriegsbemalung. Niemand konnte den Turm jetzt betreten, nicht einmal die Mitglieder der Gesellschaft. Dieser Teil von ihm war hinter verschlossenen Türen verborgen und sicher.
    Er machte sich auf den Rückweg zum Kellereingang und stieg in den Aufzug, der ihn hinauf in die Akademie brachte. Der Aufzug lag versteckt in einer Ecke, sodass er vom Rest der Akademie aus nicht zu sehen war. Trotzdem ließ er große Vorsicht walten, als er den Lift verließ, um sicherzugehen, dass niemand ihn bemerkte. Langsam ging er durch die bronzenen Gänge. Es war schon spät, und er wollte niemanden wecken.
    »Algernon?«, fragte eine Stimme, als er sich seinen Gemächern näherte. »Algernon, du bist ja ganz schmutzig.« Die Frau, die ihm entgegenkam, war zwar jünger als er, doch nicht mehr jung. Graue Strähnen durchzogen ihr dunkles Haar.
    »Ada«, sagte er.
    »Was hast du gemacht? Wo warst du? Du hast das Abendessen versäumt. Ernest und Cecily haben sich Sorgen um dich gemacht, sodass ich ihnen vorschwindeln musste, du hättest noch in deinem Labor zu tun … «
    »Ich glaube«, sagte Algernon, »ich glaube, ich brauche ein Bad.«
    »Mit Sicherheit. Du bist über und über mit Schmutz bedeckt und stinkst nach Öl. Was hast du getrieben?«
    »Das ist jetzt nicht wichtig«, antwortete Algernon. »Lass mich einfach in Ruhe ein Bad nehmen.«
    »Gut«, sagte Ada und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich bringe dich in deine Gemächer, doch wenn du wieder sauber bist, erzählst du mir alles.«
    »Von dir lasse ich mir nichts sagen, Weib«, entgegnete er barsch.
    »Nein, vermutlich nicht. Das ist ein Teil deines Problems. Dann geh allein in deine Gemächer.« Sie kehrte ihm den Rücken zu und stapfte wütend davon. Beinahe hätte er ihr nachgerufen, doch er tat es nicht. Stattdessen ging er langsam in seine privaten Räume und dort in sein eigenes Bad. Es war fast vollbracht.

Kapitel 1
    V iolets und Ashtons Vater stand unmittelbar vor der Abreise nach Amerika, um bei der Entscheidung, welcher Zeitpunkt als Anbeginn der Zeit angenommen werden sollte, mitzuwirken. Es oblag Violet, ihren Bruder zu holen und zur Haustür zu bringen, damit sie sich von ihrem Vater verabschieden konnten, doch Ashton ignorierte sie. Er war völlig in sein Klavierspiel vertieft. Mit etwas mehr Glück hätte ihr Zwillingsbruder die Faszination ihres Vaters für die Zeit geerbt, dachte sie, zumindest insoweit, dass er ein Gefühl für den Takt gehabt hätte.
    »Ashton!«, rief sie. Er ignorierte sie. »Ashton!« Ihre Stimme wurde lauter. Sie stand jetzt direkt neben ihm. Natürlich konnte er sie hören, auch wenn er vorgab, das nicht zu tun.
    »Wenn denn Musik die Liebe nährt, dann spiel!«, brüllte Ashton über sein lautes Klavierspiel
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