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Erdwind

Erdwind

Titel: Erdwind
Autoren: Robert Holdstock
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Mann’ sein dürfe, und das war ein so offensichtliches Zeichen des Begehrens, wie sie in ihrem kurzen Leben nur je eines erlebt hatte.
    Bisher hatte sie ihre Zustimmung noch nicht gegeben, doch sie sah durchaus ein, daß es ihr, wie er sagte, helfen würde, die innere Düne des crog betreten zu dürfen, die ihr zur Zeit noch verboten war.
    Doch auf einmal kam Darren aus dem Unterholz herausgesprungen, heftig atmend, aber grinsend, ein Kristallmesser in der Hand, das er sonst an einer dünnen Lederschnur um den Hals trug. Zwei andere junge Männer folgten ihm, und dann kamen zwei jüngere Mädchen. Die beiden Männer kannte sie. Engus und Laurian hießen sie. Kräftige Kerle und ziemlich blutdürstig. Sie hatte gesehen, wie gut sie mit Stein, Schleuder und Speer umgehen konnten, doch sie genossen kein so hohes Ansehen wie Darren. Laurian hatte sogar beim Initiationsritual versagt und galt eigentlich überhaupt nichts, doch zu gegebener Zeit würde er es erneut versuchen. Inzwischen boten Darren und Engus ein Beispiel für einen sympathischen Zug des Lebens auf dem Aeran: Freundschaften wurden auf Dauer geschlossen. Sie hatten Laurian nicht fallengelassen, wie Elspeth erwartet haben würde, wenn sie nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, wie die Leute im Walde lebten.
    Darren war schlanker und größer als die beiden. Er mußte zu Elspeth aufsehen, was er nicht gern tat, aber die meisten anderen in der Kolonie überragte er. Er hatte ein recht ansprechendes Gesicht unter seinem langen gelben Haar, das schlaff und dreckig um seinen Nacken hing. Sein Körperhaar schien dichter als bei den anderen zu sein; es war dunkelgelb (an manchen Stellen fast orangefarben) und sah eher wie enganliegende Bekleidung aus als wie ein Fell.
    Nur oberhalb der Kinnbacken war sein Gesicht nackt und rötlich. Und ebenso, wenigstens manchmal, auch sein Geschlechtsteil.
    Die beiden Mädchen waren ebenso pelzig, nur waren bei der jüngeren, die noch in der Pubertät war, große Flächen von Brust und Schultern unbehaart. Elspeth kannte dieses Mädchen nicht, doch kannte sie das andere: Brigedd, Laurians ‚feste Frau’. Brigedd fühlte sich in dieser Stellung nicht wohl, da Laurian das strenge Initiationsprogramm nicht durchgehalten hatte (es war in der Hauptsache eine Prüfung der körperlichen Widerstandsfähigkeit), während sie selbst es ohne weiteres geschafft hatte. Daher hatte Elspeth trotz ihrer kurzen Bekanntschaft mit dem Pärchen den Eindruck, daß sie ständig stritten und im ganzen sehr unglücklich miteinander waren. Gelegentlich sprach Darren davon, Brigedd bald einmal zu ‚stehlen’ – er sagte es nur, wenn Laurian in Hörweite war, und der Nicht-Krieger wurde jedesmal wütend. Aber er war noch nicht berechtigt, Darren zum Zweikampf herauszufordern.
    Sie umstanden Elspeth. „Das ist Moir“, sagte Darren und legte den Arm um die Schulter des jüngeren Mädchens. „Meine Schwester.“
    Moir blickte zu der hochgewachsenen Negerin auf und schob den Unterkiefer ein paarmal hin und her, was eine zurückhaltende Begrüßung sein sollte. Sie ist sehr hübsch, dachte Elspeth; das wären richtig schöne Menschen, wenn sie nicht am ganzen Körper so behaart wären.
    „Elspeth ist gut Freund.“ warf Brigedd hin, und die Jüngere lächelte verlegen. „Hallo.“
    „Hallo, Moir. Deine erste Jagd?“
    „Sie jagt nicht“, sagte Engus finster. (Warum war er immer so schlechtgelaunt?) „Sie sieht zu. Das heißt, daß ich auch zusehe.“
    Elspeth wurde plötzlich klar, daß Moir Engus’ ‚feste Frau’war. Darrens Schwester! Paßte das Darren nicht? Schon möglich.
    Elspeth merkte, daß Darren und Engus sie von oben bis unten musterten. Sie spürte, daß sie rot wurde, und kämpfte mit sich, um nicht die Hände herunterzunehmen und sich zu bedecken. „Seht mich nicht so an!“
    Darren lächelte und blickte ihr mit seinen blauen Augen frech ins Gesicht. „Warum denn nicht?“
    „Schon gut. Wann gehen wir los?“
    „Sobald wir können“, entgegnete Darren.
    „Sie hat noch keine Symbole eingekratzt“, sagte Brigedd. Elspeth bekam Herzklopfen. Das Mädchen lächelte sie an, denn sie wußte, wie fasziniert Elspeth von den Symbolen war, die das Volk des crog benutzte. Jetzt erst bemerkte sie die tiefen Wunden auf Brigedds Armen – gerade erst begannen sie zu heilen. Sie mußte schwer gekämpft haben. Als sie Elspeths prüfenden Blick sah, berührte sie vorsichtig ihren linken Arm. „Ein Duell“, erläuterte sie; „ich habe
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