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Erdwind

Erdwind

Titel: Erdwind
Autoren: Robert Holdstock
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Schwarzflügler im Bruchteil einer Sekunde in ein besseres Jenseits befördern. Aber daran war nichts Aufregendes.
    Fünf Meter vor dem Tier blieb sie stehen, hielt den Atem an und versuchte, ihren Körper zu beruhigen. Sie war tief im Tal, der Wind wehte jetzt ziemlich heftig, und im Weiterschreiten spürte sie ein Jucken an ihrem Fußgelenk, wo das getrocknete Blut abplatzte. Der Schnitt schmerzte immer noch, aber sie achtete nicht darauf. Stumm und reglos hingen, wohin sie auch blickte, die dunklen Schatten des Schwarzflügler-Volkes. Hoch oben, wo der blanke Fels wie eine ausgezackte Wunde im hellen Himmel stand, spähten zwei Gesichter zu ihr herab. Am anderen Ende des Tales pirschten sich Laurian und Brigedd in pfeilschnellen Sprüngen an zwei Schwarzflügler heran, die etwas abseits auf kleineren Steinblöcken dösten.
    Mit vorsichtigen Schritten verringerte Elspeth die Entfernung zwischen sich und ihrer Beute. Das Tangelkraut in ihrer Hand schien so erregt und gespannt zu sein wie sie selber, als ob es auf ihren Befehl warte. Sie konnte erkennen, wie sich die Kehle des Tieres beim Atmen bewegte, konnte den dumpfen dreifachen Schlag seines ‚Herzens’ hören; Punktfliegen, die natürlichen Parasiten dieser Tiere, umschwirrten es mit scheinbar zielloser Geschäftigkeit. Jeden Moment konnte der Schwarzflügler erwachen, sie sehen und in diesem bizarren, sprunghaften Flatterflug entschwinden, der es so schwierig machte, die Tiere dieser Welt zu fangen.
    Jetzt!
    Langsam hob sie den Arm, hielt den Krautstrang auf das Tier gerichtet. Da öffnete der Schwarzflügler sein Auge, starrte sie an; auffordernd drückte sie das Kraut. Glatt rollte sich der Pflanzenstengel von ihrem Arm ab und wickelte sich um das Bein des Schwarzflüglers: Das Tier kreischte und flatterte auf, doch das Tangelkraut hielt fest. Elspeth fühlte sich hochgehoben, und sekundenlang geriet sie in Panik.
    Loslassen!
    Sie fiel mit dem Gesicht auf den Stein, schürfte sich die Nase, die Stirn, die Juwelenbrust. Über dem Felsbrocken liegend sah sie dem Schwarzflügler nach, der hinwegflatterte. In wenigen Sekunden war das Tier am anderen Ende des Tales, in wildem Zickzackflug, so daß sie ihm kaum mit den Blicken folgen konnte.
    Wundersamerweise jedoch blieb es still im Tal, nur einige wenige Schwarzflügler flatterten in panischer Angst hinterher.
    Elspeth zitterte heftig, ihre Haut schmerzte an den aufgeschürften Stellen. Sie lief zu Darren und fiel neben ihm auf die Knie.
    Er lachte. „Du hast ja losgelassen.“
    „Das weiß ich selber! Ich habe mir beinahe den Schädel eingeschlagen.“
    Er streckte die Hand aus und berührte sanft ihre abgeschürfte Nase. „Du mußt schon entschlossener sein, wenn du Schwarzflügler fangen willst.“
    „Bist du sicher, daß wir die richtigen Symbole gezeichnet haben?“
    „Du und deine Symbole!“ Er amüsierte sich offenbar. „Ja, wir haben die richtigen gezeichnet. Das einzige, was falsch war, ist, daß du die Nerven verloren hast.“
    „Na, das passiert mir nicht wieder.“
    „Wir müssen warten, bis wieder einer – sieh mal, unten im Tal! Schnell!“
    Sie sprang auf und starrte die Schlucht hinunter. Weit hinten, gerade noch erkennbar, hatte einer der dortigen Jäger einen Schwarzflügler gefangen. Das große Tier peitschte mit seinen vollausgestreckten Schwingen die Luft, flog in kurzen Sprüngen mit dem kleinen Menschen, der nicht losließ, etwa zehn Fuß unter sich. Eine Sekunde lang verschwanden Tier und Mann (oder Weib?) und kamen etwas weiter entfernt wieder zum Vorschein; doch der Jäger hielt immer noch fest, und der Schwarzflügler stürzte zu Boden. Eine Sekunde später lag das Tier bewegungslos, und der Jäger (Laurian war es) winkte ihnen zu.
    „Es hat Geist-Sprünge gemacht, während er noch dranhing!“
    „Ein starkes Tier“, sagte Darren nachdenklich. „Es ist ein merkwürdiges Gefühl, besonders wenn das Biest mitten im Sprung die Richtung ändert.“
    „Und das können alle Tiere auf dieser Welt?“
    Darren nickte. „Alle außer uns. Aber wir haben dafür den Erdwind.“
    „Den Erdwind? Was ist das?“
    Ehe Darren antworten konnte, kamen Engus und Moir angerannt. Moir lachte, als ein wohlgezielter Tritt ihres ‚festen Mannes’ ihren pelzigen Bauch traf.
    Darren rief ihnen zu, sie sollten ruhig sein, und beide ließen sich mit einem entschuldigenden Blick zu Boden fallen. Engus’ Reue verging sofort, als er sah, daß Elspeth ihn anblickte.
    „Ganz nett für den ersten
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