Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erbarmen

Erbarmen

Titel: Erbarmen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
Vom Netzwerk:
rollte, sah sie höhnisch Carl und den Mann an, der neben ihm auf dem Boden lag. Hätte sie nach ihnen treten können, hätte sie es getan. Sie hatten ihr das Leben gestohlen, in ihr war nichts mehr als Bitterkeit und Hass. Nichts Fremdes durfte mehr in ihre Glasglocke vordringen.
    Da ist nicht genug Platz, dass du vorbeikommen kannst, du Hexe, dachte Carl, der sah, wie Assads Bein ungeschickt zur Seite ausgestreckt war.
    Sie rollte bedenkenlos auf Assads Bein zu. Da stieß Assad einen Schrei aus, stemmte sich gleichzeitig mit einem Ruck hoch und stand mit einem Satz zwischen der Frau und der Tür. Die beiden Männer an den Bullaugen drehten sich um, und Lasse hob die Flinte. Assad, dem das Blut von der Schläfe lief, duckte sich hinter den Rollstuhl, packte die eckigen Knie der Frau und stürmte mit dem Rollstuhl als Rammbock brüllend auf die Männer zu. Die Geräusche waren infernalisch. Assads Brüllen, die Schreie der Frau, das Pfeifen aus der Druckkammer, die Warnrufe der Männer und am Ende der Tumult, als der Rollstuhl die beiden Männer umwarf.
    Die Frau lag in dem umgekippten Rollstuhl auf dem Rücken, die Beine in der Luft, als Assad sich nach vorne warf, um das Gewehr zu fassen zu bekommen, das Lasse auf ihn richten wollte. Der junge Mann dahinter heulte laut auf, als Assad den Lauf mit einer Hand packte und mit der anderen auf Lasses Kehle einschlug. Nach wenigen Sekunden war alles vorbei.
    Mit dem Gewehr in der Hand zog Assad sich zurück, schubste den Rollstuhl beiseite, zwang den hustenden Lasse aufzustehen und stand dann einen Moment still und sah ihn an.
    »Sag, wie man den Scheißdreck abstellt«, schrie er.
    Carl stand auf, er hatte das Springmesser ein Stück weiter an der Wand entdeckt. Während er hinging, um es aufzuheben, wickelte er Kabel und Zünder von seinem Hals. Der dünne junge Mann versuchte seine Mutter aufzurichten.
    »Ja, sag es. Jetzt!« Carl ritzte mit dem Messer in Lasses Wange. Beide sahen es gleichzeitig in den Augen des Mannes. Er glaubte ihnen nicht. In seinem Gehirn hatte nur eine Sache Platz: dass Merete Lynggaard in dem Raum hinter ihnen sterben musste. Einsam, langsam und qualvoll, das war Lasses Ziel. Anschließend würde er auch seine Strafe auf sich nehmen. Es berührte ihn nicht.
    »Wir sprengen ihn und die ganze Familie sofort in die Luft, Carl«, sagte Assad mit zusammengekniffenen Augen. »Merete Lynggaard dort drinnen ist sowieso bald fertig, für sie können wir nichts mehr tun.« Er deutete zu dem Manometer, das bereits ein gutes Stück weniger als vier bar Überdruck anzeigte. »Wir machen mit denen genau das, was sie mit uns machen wollten. Und Merete tun wir einen Gefallen.«
    Carl sah ihm in die Augen. Dort in den warmen braunen Augen seines Assistenten lag der Keim zu einem tiefen Hass. Der durfte nicht zu viel Nahrung bekommen.
    Carl schüttelte den Kopf. »Nein, Assad, das können wir nicht machen.«
    »Doch Carl, wir können«, antwortete Assad. Er streckte seine freie Hand aus und zog Kabel und Zünder langsam aus Carls Hand. Dann wickelte er sie Lasse um den Hals.
    Aber während Lasses Blick beschwörend den von Mutter und Bruder suchte, der zitternd hinter ihrem Rollstuhl stand, sandte Assad Carl einen unmissverständlichen Blick. Sie mussten es so weit treiben, dass Lasse begann, ihnen zu glauben. Denn Lasse würde nicht kämpfen, um seine eigene Haut zu retten, sondern die seiner Mutter und seines Bruders. Das hatte Assad gesehen. Er hatte recht.
    Da hob Carl Lasses Arme und verband die abisolierten Enden mit den Verlängerungskabeln, wie Lasse es beschrieben hatte. »Setzt euch da in die Ecke«, befahl er der Frau und ihrem Jüngsten. »Nimm deine Mutter und setz dich dorthin, Hans, nimm sie auf den Schoß.«
    Der jüngste Sohn sah ihn ängstlich an, hob dann seine Mutter, als sei sie federleicht, auf und setzte sich mit ihr mit dem Rücken zur Wand.
    »Wir sprengen euch alle drei samt Merete Lynggaard in die Luft, wenn du uns jetzt nicht erzählst, wie man diese verdammte Teufelsmaschine ausschaltet«, sagte Carl. Dabei wickelte er eines der Verlängerungskabel um einen Pol der Batterie.
    Lasse wandte den Blick von seiner Mutter ab. Hasserfüllt starrte er Carl an. »Ich weiß nicht, wie man es anhält«, sagte er ruhig. »Ich kann es herausfinden, aber dafür muss ich im Handbuch nachlesen. Dazu ist keine Zeit mehr.«
    »Du lügst, du versuchst, Zeit zu schinden!«, schrie Carl. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Assad drauf und dran war, Lasse zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher