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Er war ein Mann Gottes

Er war ein Mann Gottes

Titel: Er war ein Mann Gottes
Autoren: Karin Jäckel
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verlassen würde. Gleichzeitig tat ich diese Sorge als völlig verrückte Idee ab.
    Max und ich waren glücklich. Wir hatten die schönste Zeit unseres Lebens miteinander verbracht. Wir hatten uns geliebt, hatten wie Mann und Frau zusammengelebt. Es war herrlich gewesen. Er war meine große Liebe. Ich war die erste Frau seines Lebens. Er hatte mir geschrieben, dass er mich so gern habe, dass er mich nie mehr verlieren wolle. Was sorgte ich mich? Alles war doch okay.
    Max war still auf der Rückreise. Es erschien mir verständlich. Sicher hing er der nun zu Ende gehenden schönen Zeit nach. So nah wie in den vergangenen Wochen würden wir uns lange nicht mehr sein können. Ob er mich vermissen würde?
    Eine Szene fiel mir ein, als ich in Tunesien während eines Bummels einfach mal in eine andere Gasse eingebogen war, ohne ihm vorher Bescheid zu sagen, weil er auf der anderen Straßenseite stand und nach einer Auslage schaute. Als ich vergnügt auf den Bazar-Tischen kramte und mir eines dieser herrlich farbenfrohen Tücher aus grob gewebter Seide wie einen Turban um den Kopf wickelte, hatte Max mich entdeckt und begann wie wild zu toben: »Wo warst du? Was hast du gemacht? Was fällt dir ein, einfach abzuhauen, ohne mich zu informieren?« Er schrie mich an. Ich wusste kaum, wie mir geschah.
    Ich fand seinen Anspruch an mich, immer und überall gemeinsam mit ihm hinzugehen, obwohl wir völlig unterschiedliche Lebensrhythmen hatten, ich ein typischer Morgenmuffel und er ein ebenso typischer Frühschläfer oder Frühaufsteher, geradezu ätzend lästig.
    Wie gern hätte ich morgens wenigstens den einen oder anderen Tag ausgeschlafen. Er hätte doch in der Zwischenzeit ins Meer oder in den Swimmingpool springen und seine Trainingsrunden schwimmen können. Aber nein, wenn ich nicht mit ihm aufstand, wenn ich nicht wie eine Klette in seinem Haar klebte, wenn ich nicht alles ebenso phantastisch fand wie er, war seine Welt nicht mehr in Ordnung.
    »Wie«, überlegte ich und schaute ihn heimlich von der Seite an, als müsste ich mir den Schwung seiner Wimpern und den Stups seiner Nase, diesen Schimmer der glatt rasierten Haut für immer einprägen, »wie wird er es verkraften, dass wir jetzt nicht mehr beisammen sind und er wieder in sein eigenes Leben zurückkehren muss?«
    Zärtlichkeit überflutete mich. Ich hätte gern seine Hand genommen, ihn noch lieber umarmt und geküsst. Aber ich wagte es nicht. Liebe, das hatte mich Tunesien gelehrt, funktionierte für Max nur, wenn er die Kontrolle behielt.

    Draußen im Flughafen empfing uns der hektische Alltag. Max war in der Stadt zu Hause. Er hatte bei seiner »Bezugsperson« eine kleine Einliegerwohnung bezogen, von der aus er nur ein paar Meter bis zu seiner Arbeitsstelle gehen musste. Ich hatte noch eine Zugreise vor mir, bis ich auch daheim wäre.
    Merkwürdig verlegen standen wir auf dem Bahnsteig, auf dem sich unsere Wege trennen würden.
    Max hatte wahrscheinlich Hemmungen, mich vor allen Leuten zum Abschied zu umarmen und zu küssen. Es tat mir weh. Aber ich akzeptierte es. Was genau wir einander sagten, weiß ich gar nicht mehr. Nur ein Satz von Max blieb mir unvergesslich: »Ciao, Cora, bis nächstes Jahr dann!«
    »Bis nächstes Jahr?«, fragte ich entgeistert und starrte ihn an. »Was soll das denn jetzt?«
    Als hätte ich ihn bei etwas Verbotenem ertappt, begann er irgendetwas zu stottern und abzuwiegeln, es sei doch bloß ein Spaß, ein blöder Verlegenheitsscherz gewesen. Wie gern wollte ich ihm glauben. Doch der Stachel saß tief.
    Und er bohrte sich tiefer und tiefer mit jedem Tag des Schweigens, das sich von nun an zwischen uns ausbreitete.

Auf der Suche nach Max

    Wahrscheinlich hätte ich nie nach Max und seiner Vergangenheit geforscht, hätte er sich mir nicht so eiskalt und ohne Angabe von Gründen entzogen.
    Wie flehentlich hatte ich ihm in meiner Verlassenheit geschrieben:

    »Wenn ich nur den Grund deines Schweigens wüsste. Bitte, sag mir doch wenigstens, was los ist. Du bist mir doch wichtig, und ich hab dich doch lieb, und das weißt du. Und nun völlige Funkstille. Ich weiß einfach nicht, warum. Glaub mir, ich respektiere deine Gründe, aber du musst sie mir mitteilen, bitte. Dein Foto hängt nach wie vor an meinem Küchenschrank. Ich sehe dich jeden Tag und denk an dich. Bitte, versteh es nicht falsch, ich will dich nicht nerven, ich will nur ein klitzekleines Lebenszeichen von dir, mein lieber Max.«

    Mein Brief war im Sommer versandt. Antwort
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