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Er war ein Mann Gottes

Er war ein Mann Gottes

Titel: Er war ein Mann Gottes
Autoren: Karin Jäckel
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ein Auto, um einen Ausflug ins Inland zu unternehmen. Weit fuhren wir allerdings nicht. Die dürre, heiße Umgebung außerhalb unserer Hotel-Oase lockte uns wenig.
    Wenn ich Erinnerungsfotos von diesem Urlaub betrachte sehen wir beide immer wie ein strahlendes Paar auf Hochzeitsreise aus. Max gibt den charmanten Gesellschafter oder kundigen Touristen. Ich himmele ihn an und morse Liebe aus allen Poren. Niemals käme ein Unbeteiligter auf die Idee, es könnte etwas zwischen uns nicht stimmen. Ich glaube, wir beide waren die Letzten, die es sehen wollten.
    Ist es Zufall, dass es fast keine Bilder von uns aus dem Innern unserer Hotelsuite gibt? Wahrscheinlich nicht. So bereitwillig Max draußen posierte und anderen Touristen die Kamera in die Hand drückte, um einen Schnappschuss von uns als schlemmenden, genießenden Urlaubern aufzunehmen, so sehr wehrte er sich gegen ein Foto, wenn wir allein waren.
    Draußen machte es Spaß, mit ihm unterwegs zu sein. Kaum aber fiel die Tür unserer Hotelsuite hinter uns ins Schloss, verwandelte mein Schmetterlingsprinz sich in einen griesgrämig maulfaulen Rauperich, der bis zum Abendbuffet Spielchen auf seinem Mobiltelefon absolvierte.
    Stundenlang telefonierte er hinter der verschlossenen Badezimmertür mit seiner »Bezugsperson«, von der ich immer noch nicht wusste, wer es war, aber allmählich Verdacht schöpfte, dass es eine Frau wäre. Selbst beim gemeinsamen Abendessen mit mir schrieben sie sich gegenseitig SMS-Nachrichten auf dem Handy.
    Am Pool vergrub Max sich hinter Büchern oder Zeitungen oder schwamm eine Runde nach der anderen, weil er sich als zu fettleibig empfand und dringend abspecken wollte.
    Abends behauptete er meist, zu müde für alles zu sein, und blockte meine zaghaften Annäherungsversuche und Zärtlichkeiten mit einem mürrischen »Lass mich in Ruh!« ab.
    Meine fruchtbaren Tage, die ich während der Haftzeit von Max so mühsam ermittelt und klug für unseren Urlaub eingeplant hatte, verstrichen ungenutzt. Ein Kind, das wusste ich bald, würde uns in Tunesien nicht geschenkt werden.

    Allmählich zog auch ich mich in mich selbst zurück. Abgewiesen zu werden tat weh. Ich wagte kaum noch, aus eigenem Antrieb mit Max über etwas zu reden, das mich interessierte, geschweige denn, mich ihm liebevoll zu nähern.
    Ich erklärte mir sein Verhalten mit seinem Priestertum und der langen Haftzeit. Ich beschwichtigte meine Ängste, Max zu verlieren, indem ich mir einredete, dass er noch nie zuvor mit einer Frau zusammen gelebt oder Urlaub gemacht habe und ihm die ungewohnte Nähe zu schaffen mache.
    Zu Hause als Kind hatte Max kaum Freundschaften geschlossen, weil seine Mutter es nicht gern sah, wenn er »Ruhestörer« in ihr Reich brachte. Sie habe ihn eifersüchtig behütet, hatte er mir erklärt. Im Internat sei er auch immer eher ein Einzelgänger gewesen. Ziemlich unsportlich, schüchtern und immer etwas zu dick, passte er als »Streberleiche« nicht in die Fußballwelt und war auch bei den Mädels nicht der Held. Deshalb habe er niemals eine Freundin gehabt. Er hätte auch gar nicht gewusst, wie er seiner Mutter hätte beibringen sollen, dass es noch eine andere Frau in seinem Leben gebe.
    Der Zölibat sei ihm deshalb nicht besonders schwer vorgekommen. Im Priesterseminar habe er sich ebenfalls eher abseits gehalten, und als Pfarrer habe er unter seinen Kollegen kaum jemals Freunde gehabt. Wenn ich Max eine Armlänge von mir entfernt und doch unerreichbar weit weg sitzen sah, musste ich mir immer wieder klarmachen, dass es zu seinem Leben dazugehörte, still für sich zu sein und sich von der Außenwelt abzuschotten. Nicht er, dachte ich, müsse sich ändern. Ich müsse mich ihm anpassen und auf ihn eingehen, wenn ich mit ihm leben wolle.

    Zu spät kam mir zu Bewusstsein, dass es klüger gewesen wäre, wir hätten nicht gleich beim ersten Urlaub eine gemeinsame Suite gemietet. In getrennten Zimmern hätte Max seine Rückzugsbedürfnisse besser ausleben können und nur dann mit mir Zusammenkommen müssen, wenn wir beide dies gern gewollt hätten. Schuldbewusst dachte ich an unser Zusammensein in meiner Wohnung und machte mir insgeheim Vorwürfe, dass ich Max mit meinem Wunsch nach Liebe womöglich doch zu sehr bedrängt hatte, so dass er sich dazu genötigt gefühlt haben musste, ein Doppelzimmer zu buchen.
    Oftmals saß ich in Tränen am Strand oder schlief mit feuchten Augen ein, wenn Max sich mir entzogen hatte. Aber nicht einen Tag dachte ich daran, ihn zu
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