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Equinox

Equinox

Titel: Equinox
Autoren: Jörg Juretzka
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steigen und bis zur Hüfte hineinzugleiten in die kalte, trübe, stinkende Suppe. Kaum drin und das Erste, was mir im Weg herumschwamm, war eine katzengroß aufgeblähte tote Ratte. Dann rutschte ich auf etwas Weichem, Knorpeligem aus und hielt mich den Rest des Weges ziemlich krampfig an einem unter der Decke verlaufenden Eisenträger fest.
     
    Da stand »radio-controlled« und da stand »antitank« und dann stand da noch eine ganze Menge mehr, und Kristof Kryszinski, dessen militärische Laufbahn so etwas wie einen Knick bekommen hatte, nachdem es nötig geworden war, ihn schon im Warteraum der Musterungskommission aus einer Überdosis zu reanimieren, konnte das Gelesene zwar in »ferngezündete Panzermine« übersetzen, aber das war auch alles, was er mit dem Ding anzufangen wusste. »Red«, las ich, über dem Birnchen, »= On«, und um Missverständnisse auszuschließen, lautete die Zeile darunter »Black = Off«.
    Leider, wenn auch nicht weiter überraschend, fand sich aber kein entsprechender Knopf, um von »On« auf »Off« zu schalten.
    Nichts vermag einen eh schon als beengt empfundenen Raum so sehr weiter zu verkleinern wie die Anwesenheit einer scharfen Bombe, die irgendjemand jeden Augenblick mittels Knopfdruck hochgehen lassen kann.
    »Ich an deiner Stelle«, raunte mir Ratso ins Ohr, und am Ausmaß meines Zusammenzuckens wurde mir bewusst, wie starr, wie fasziniert ich die Mine im Blick behalten hatte, »würde meine Finger ganz, ganz weit weg von dem Scheißding lassen.«
    Und ich nickte und wischte mir mit übertriebener Konzentration vorsichtig den Schweiß aus den Augen.
     
    Weiter Richtung Bug, auf der Backbordseite, fanden wir noch eine. Sie waren, so meine Einschätzung, auf das Schiff gebracht worden, als wir unser Rendezvous mit dem Trawler hatten. Nötig geworden war diese Aktion, nachdem Jochen und ich die beiden Original-Minen zusammen mit ihrer Schmuggel-Tarnung, einem Sack Basmati-Reis, auf eine Planke gebunden, in ein Tuch eingenäht und anschließend hatten feierlich über Bord schmeißen lassen.
    Jetzt würden sie zwei riesige Löcher in den Schiffsrumpf reißen, kaum dass die ganze Ginza-Bande auf den Trawler übergesetzt hatte.
    Mit Genugtuung registrierten meine Ohren, dass die beiden Motoren der Equinox weiterhin alles gaben, dieses Unterfangen hinauszuzögern.
     
    »Pass auf«, sagte ich zu der Rezeptionistin des A-Decks und rammte mein Gesicht hart gegen die Glasscheibe, die einen Teil des Schalters vor Zugluft schützte. »Schie dir dasch genau an«, forderte ich, die Gesichtszüge vom Glas gequetscht und verzerrt. »Wenn du«, ich machte einen Schritt zurück und zeigte ihr das Zubehör, das ich aus der Küche der Mannschaftsmesse hatte mitgehen lassen, »wenn du nicht den Rest deiner Tage mit so einer Visage rumlaufen willst, dann lässt du die Finger vom Alarm. Denn wenn nicht …« Ich schwang das Utensil hin und her und ließ es dann wieder im Overall verschwinden, bevor ich mein Gesicht erneut hart gegen die Scheibe presste. »… weischt du Bescheid, wasch paschiert.«
     
    Kapitän Zouteboom stand in einer frischen weißen Uniform vor dem großen Spiegel seiner Schlafkabine und sah sich selber dabei zu, wie er einen geblasen bekam, als ich die Tür auftrat.
    Beide fuhren zu mir herum.
    »Feierabend«, sagte ich. Gazella erhob sich aus ihrer knienden Stellung und Zouteboom fummelte hastig seinen wabbligen kleinen Pimmel zurück in den Hosenschlitz. Bis er mit dem Reißverschluss fertig war, hatte es seine Kopfhaut von Bonbonrosa über Käsebleich bis hin zum aktuellen Tomatenrot geschafft und war jetzt auf dem Weg zu einer Schattierung, die ich »auberginenblau« nennen würde.
    »Wieso gehen Sie nicht ans Telefon?«, fragte ich, und er schnappte nach Luft, völlig auf dem falschen Fuß erwischt, völlig ungeübt darin, selber in der Defensive zu sein.
    »Wir müssen jeden verfügbaren Mann auf eine groß angelegte Durchsuchung des gesamten Schiffs schicken«, teilte ich ihm klipp und klar mit. Kurz und knapp. »Wir suchen die Zündbox für zwei Panzerminen, und wir suchen Elena, die Kassiererin aus dem Duty-free.« Zouteboom glich einen Augenblick lang verblüffend einem Schwein, das einen Karpfen zu imitieren versucht. Ich denke, er wollte etwas einwenden, doch ich war noch nicht fertig. »Außerdem müssen wir irgendwie die Entwaffnung und Verhaftung sowohl der gesamten Security wie auch der Japaner einschließlich Carla Bayonne und Doktor Köthensieker
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