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Equinox

Equinox

Titel: Equinox
Autoren: Jörg Juretzka
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vorantreiben.« Der Blutdruck in Zoutebooms Schädel nahm Werte an, wie man sie sonst nur von Hydraulik-Schläuchen kennt. »Als Erstes, würde ich vorschlagen, brechen wir den Ball ab und beordern die Passagiere zu den für Notfälle vorgesehenen Sammelpunkten.« All das machte perfekten Sinn. Bloß Kapitän Zouteboom schien er sich nicht so recht zu erschließen.
    »WIR?!«, schrie er und sprang mit beiden Füßen gleichzeitig auf dem Boden herum wie ein verzogenes Blag in einem hysterischen Trotzanfall. »WIR? ICH HÖRE IMMER >WIR    Der ständig um seine Autorität besorgte Kapitän wäre mit dem Befehl über eine Hafenbarkasse überfordert gewesen, doch kam diese Erkenntnis etwas spät und mit mir der absolut falschen Person.
    »Das ist mein Schiff«, kreischte er, »mein Kommando, und ich bestimme, was auf diesem Schiff passiert, ich alleine!«
    »War ja nur ‘n Ratschlag«, ließ ich ihn wissen.
    »Und ich verbitte mir Ihre Ratschläge!«, schäumte er weiter. »Ich habe hier das Sagen, ich ganz allein!«
    »Ja, ja«, machte ich beschwichtigend, doch es hatte keinen Zweck.
    Worauf es dann im Endeffekt hinauslief, war das: Der Kapitän hatte eine Rede vorbereitet. Die wollte er, in festlichem Rahmen und vor großem Publikum, unbedingt halten, und nichts von dem, was ich ihm mitzuteilen hatte, schien ihm wichtig genug, diesen Auftritt zu verpassen.
    Ich wurde das Gefühl nicht los, dass Köthensieker ihn in gewisser Weise geimpft, ihn irgendwie auf mein Kommen vorbereitet hatte, denn Zoutebooms letzter Rat an mich war, mich unverzüglich in die Hände des Arztes zu begeben und mich auf meinen Geisteszustand untersuchen zu lassen.
    »Okay«, sagte ich. Und trollte mich.
     
    That’s the way, aha, aha, llike it, aha, aha, that’s the way, aha, aha, I like it, aha, aha, that’s the way …
    Kann es wirklich mal eine Zeit gegeben haben, fragte ich mich, zwinkerte der Rezeptionistin zum Abschied verschwörerisch zu, in der eine Combo namens »KC and the Sunshine Band« die Charts angeführt hat? Kann man sich das vorstellen? Antonovs »Kollekte« war, vermutete ich, mittlerweile in vollem Gang. Die Versenkung des Schiffes war beschlossene Sache und, da sich niemand fand, sie zu verhindern, nur noch eine Frage der Zeit. Wir alle sahen einem nassen Grab ins finster-kalte Auge, und nur einer, in beneidenswerter Ignoranz des Geschehens an Bord, allein in seinem selbst gewählten Elfenbeinturm, im von eigener Hand herbeigeführten Zustand kosmischer Entrückung, arbeitete unermüdlich weiter an der Erfüllung seiner Mission: Pierfrancesco Scuzzi, der Mann, der niemals hätte DJ werden dürfen.
    That’s the way, aha, aha, I like it, aha, aha …
    Ich hatte keine Ahnung, wie er seine neueste Compilation wohl betiteln würde, doch für mich hieß sie jetzt schon »Songs you hoped you’d forgotten«.
     
    Fahrtwind rupfte an meiner Frisur, ließ Gazellas weißen Kittel flattern.
    »Und jetzt?«, fragte sie mit ihrem Brummbass.
    Ich stoppte, lehnte meine Handkanten gegen eine Scheibe und sah hinein. Antonovs Übung in Panikkontrolle lief reibungslos. Unter dem wachsamen Blick von zwanzig Schwerbewaffneten saßen achthundert festlich gekleidete Fahrgäste mit langen Gesichtern herum, händigten, einer nach dem anderen, ihre Pretiosen aus, von der Bühne herab beobachtet von Antonov persönlich. Am liebsten wäre ich stehen geblieben, bis Zouteboom aufkreuzte, um seine Rede zu halten.
    Hoooooonk! und Hoooaaanf brünsteten sich das Schiff und die Bohrinsel an wie riesige urzeitliche, nur leider ein bisschen beschränkte Fabelwesen, während das Huuut, Huuut von achtern schon jetzt kaum noch zu vernehmen war. Der Kahn hier war richtig schnell. Ich sah auf die Uhr. Wenn auch wohl nicht mehr für lange, gottverdammich.
    »Geh und alarmiere Ratso«, entschied ich, »und von mir aus auch Jochen Fuchs. Sag ihm, er soll unbedingt Jansen wiederbeleben, und sie alle sollen sich irgendwie bewaffnen und sofort zum Landungsdeck begeben und eines der beiden Schlauchboote klarmachen. Und dann«, fuhr ich fort und drückte ihr den Totschläger in die schwielige Faust, »geh ins >Chagalle<, schlag Scuzzi bewusstlos und schleif ihn an den Haaren ebenfalls da runter.«
    »Ich soll ihn tatsächlich erst niederschlagen?«
    »Tu es«, bat ich, »tu es für mich.«
    »Was soll ich ihnen sagen, was ist dein Plan?«
    »Wir verlassen das
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