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EONA - Das letzte Drachenauge

EONA - Das letzte Drachenauge

Titel: EONA - Das letzte Drachenauge
Autoren: Alison Goodman
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Gewicht spürte. Er schluckte und sammelte Speichel für die nächste Frage. »Und die Drachen?«
    »Haben ihre Macht zurückbekommen und erneuern sich.«
    Die Winkel seines schönen Mundes hoben sich. »Lass mich sehen.«
    Die Flammen des Perlenkreises umgaben uns wie ein flackernder Vorhang aus Gold und Rot, hinter dem die Drachen immer nur kurz und schemenhaft zu erkennen waren. Vorsichtig bettete ich Kygos Kopf in meinen Schoß und er zitterte dabei vor Schmerz. Der Griff des Messers ragte noch immer aus seinem Rücken. Dunkles Blut sickerte aus der Wunde und fing das golden flackernde Feuer darin. Ich drückte die Wunde vorsichtig mit Daumen und Zeigefinger zusammen, damit seine kostbare Lebensenergie nicht so schnell aus ihm herausrann.
    Der Spiegeldrache hob den Kopf und sang – eine lange, ansteigende Melodie, die über die irdische Ebene hinauswies und die goldenen Flammen weiter anfachte. Alle Perlen flackerten heiß und hell auf. Ein männlicher Drache nach dem anderen trat in das Feuer seiner Perle. Das wilde Lodern erzeugte einen sengenden Wind, der die alten Tiere umtoste wie ein Sturm. Der verkohlte Geruch nach Drachentod lag dick und rau in meiner schmerzenden Kehle, während die riesigen Wesen eines nach dem anderen zu Asche wurden. Schließlich stand nur noch der Spiegeldrache hinter seiner Perle. Sie wandte den Kopf zu mir und ihre golden und bronzen gesprenkelte Mähne loderte bereits, als sie in das Feuer ihrer Wiedergeburt trat. Ich stöhnte, als die Flammen sie erfassten und die Tränen in meinen Augen zu brennendem Salz trockneten.
    Der Feuerkreis loderte in grellbunten, tanzenden Flammen zum Himmel. Und die gewaltigen Drachenperlen bekamen Risse und zersprangen.
    Mir stockte der Atem, als im Feuer verschiedene Formen auftauchten: geschwungene Hörner; lange, edel gestaltete Mäuler; muskulöse Beine; Krallen, die in klaren Edelsteinfarben funkelten. Der neue Pferdedrache entstieg als Erster seiner lodernden Perle. Er war größer als das alte Tier, und seine prächtigen orangefarbenen Schuppen dampften vor Hitze, während er seine bleichen, seidig durchscheinenden Flügel zaghaft ausbreitete. Als er sich schüttelte und sein weicher ockerfarbener Bart sich bewegte, konnte man die aprikosenfarbene Perle an seinem Hals aufschimmern sehen. Der ewige Kreislauf. Kaum hatte das Tier sich in die dunklen Wolken hinaufgeschwungen, sanken die Flammen seiner Perle in sich zusammen und verloschen. Ich legte den Kopf in den Nacken, um seinem Flug zuzusehen; in einem weiten Bogen umkreiste er uns und sein großer Leib glitt geschmeidig dahin, ehe er mit einem lauten Triumphruf in die Himmelsebene verschwand.
    »Dem Land wird es gut ergehen«, flüsterte Kygo.
    Wir sahen, wie die männlichen Drachen einer nach dem anderen wiedergeboren wurden. Neue Flügel breiteten sich aus, Zungen schmeckten die Luft, man hörte es schnauben und würziger Atem wehte heran, bevor die Drachen nach einigen Runden über uns mit einem Triumphschrei zur Himmelsebene zurückkehrten.
    Nur eine flammende Perle war noch übrig. Ich hielt den Atem an, als sie Risse bekam und auseinanderbrach und die goldenen Flammen sich blutrot verfärbten.
    Erst erschienen die geschwungenen, über der hohen Stirn spitz zulaufenden Hörner, dann die goldene, im Feuerwind der Wiedergeburt wehende Mähne. Der weibliche Drache erhob sich aus den sterbenden Flammen des Eis und der mächtige Leib mit den roten Schuppen, die um die Augen ins Rosa spielten und an den muskulösen Schultern und Beinen ins Dunkelrote übergingen, schimmerte. Sie hob ihr breites Maul und schnüffelte; die neue Perle unter ihrem Kinn war aus fahlerem Gold als die alte. Seidenzarte Flügel breiteten sich aus, flatterten kurz, falteten sich wieder zusammen und legten sich an ihr geschmeidig geschwungenes scharlachrotes Rückgrat. Der Drache öffnete die rubinroten Klauen und ich sah darin eine winzige leuchtende Kugel: die Kaiserliche Perle, die mit den Drachen wiedergeboren worden war. Schon schlossen sich die Krallen wieder darum. Der Drache senkte den Kopf und sah mich an. Ich beugte mich vor und hoffte, in den großen Geistaugen ein Wiedererkennen zu finden. Ihre dunkle Unendlichkeit enthielt die Weisheit der Welt, doch sie enthielt nicht mich.
    Das war nicht mein Spiegeldrache.
    Die grausame Wahrheit traf mich: Ich hatte meinen Drachen verloren. Ohne es überhaupt zu merken, hatte ich erwartet, dass unsere Verbindung die Wiedergeburt überdauern würde. Doch das war nicht
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