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EONA - Das letzte Drachenauge

EONA - Das letzte Drachenauge

Titel: EONA - Das letzte Drachenauge
Autoren: Alison Goodman
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dich nicht mehr. Ich kann diese Macht allein beherrschen.«
    Ich kroch rückwärts. Vor den Flammen war Idos Körper nur mehr ein Schemen. Energie umgab ihn mit silbern schimmerndem Licht. Die Macht der Zeitalter, die Macht aller zwölf Drachen. Und Ido glaubte, all das allein beherrschen zu können.
    Ich atmete so tief ein, dass die Luft in meiner Lunge brannte, und fand den Pfad in die Energiewelt. Die Plattform ringsum verzerrte sich zitternd und wurde zur Himmelsebene. Ich zuckte zusammen unter dem Andrängen blendenden Lichts und wirbelnder Farben, die aus den goldenen Flammen der Drachenperlen sprangen. Idos Energieleib wimmelte von silbernem und schwarzem Hua. Seine sieben Energiepunkte vom Steißbein bis zum Großhirn drehten sich so schnell, dass sie wie feste Kugeln aus kräftigen Farben wirkten, rot, orange, gelb – und dann war da noch der verkümmerte grüne Herzpunkt, der sich nie wirklich verändert hatte.
    Ein dunkler Keil in all den grellen Farben lenkte meinen Blick auf die purpurne Kugel unter Idos Schädeldecke, den Sitz der Erkenntnis. In der rotierenden Kraft war noch immer ein schwarzes Loch, wie eine tiefe Wunde. Und es wurde größer. Die silberne Energie in seinem Körper schwoll immer wieder pulsierend an und bei jedem pochenden Nachströmen von Energie wuchs das Loch, bis es plötzlich zerbarst und ein glühend heißer Blitz aus Drachen-Hua aus der kreisenden Mitte fuhr.
    »Ido, du kannst diese Macht nicht beherrschen«, schrie ich. »Gib sie den Drachen zurück. Lass sie los!«
    Seine silbrigen Augen sahen mich an. »Ich habe die Macht ganz allein, Eona! Ich bin ein Gott!«
    »Lass sie los – sofort!«
    Sein Herzpunkt explodierte zuerst. Die grüne Kugel platzte unter dem Druck der Drachenmacht, flackerte grell und smaragdfarben auf und ließ ein dunkles Loch in seiner Brust zurück. Der orangefarbene Punkt am Steißbein war der nächste, und sein Blitz fuhr in sein gelbes Delta wie winzig kleine explodierende Sonnen, die nur Schwärze zurückließen. Ido krümmte sich vor Schmerz, als auch der blaue und der indigofarbene Punkt sich schließlich in Nichts auflösten.
    Eine Weile lang drehte sich die zersprungene purpurne Kugel unter seiner Schädeldecke mit der ganzen Macht der Welt. Dann platzte auch sie und wurde zu einem gleißenden Strom aus Hua, der sich in die wartenden Drachen ergoss. Die tosende Macht verschlang Ido mit goldenen und silbernen Flammen. Ich sah, wie er die Arme nach mir ausstreckte. Dann war er verschwunden, verbrannt zu einer glühenden Spirale aus Asche und Staub und an die Stelle unserer Verbindung trat ein sengendes Gefühl des Verlusts. Das schwarze Buch fiel auf die Plattform und die weißen Perlen klapperten um den Ledereinband wie morsche Knochen.
    Mit einem Ruck trat die Erdebene wieder an die Stelle der Himmelsebene und ich starrte auf den verkohlten Fleck auf den Brettern.
    Lord Ido war tot – verzehrt von der Drachenmacht, nach der er sich so gesehnt hatte. So viel Ehrgeiz und Schwung dahin. Ich holte tief Luft und unterdrückte ein leises Schluchzen. Wir waren verbunden gewesen durch Macht und Schmerz. Und durch Lust. Doch er hatte betrogen, gefoltert und gemordet und verdiente meine Trauer nicht. Und doch betrauerte ihn ein Teil von mir – der Teil, der über seinen durchtriebenen Humor gelächelt und den seine Berührungen und seine Macht bisweilen erregt hatte; der Teil, der einst gedacht hatte, Ido könnte sich ändern.
    Lord Ido war tot, doch selbst im Tod war ich noch zwiegespalten wegen ihm.
    Ich stemmte mich mühsam auf alle viere und kroch zum Podest. Hier wartete derjenige auf mich, dem meine eigentliche Trauer galt. Er lag auf der Seite, und sein Atem war so schwach, dass der Brustkorb sich kaum mehr hob und senkte. Kygos Lider flatterten, als ich sein Gesicht streichelte, das trotz der hitzegeröteten Haut ganz kalt war und klamm. Er fuhr sich mit der Zunge über die ausgetrockneten Lippen und schlug die Augen auf. Sie waren bereits trüb und blickten ins Leere.
    »Ido?« Seine Stimme war nur noch ein mattes Wispern.
    »Tot.«
    »Gut.«
    Zärtlich legte ich meine Hand um sein Kinn und spürte plötzlich den stechenden Schmerz in meinen gebrochenen Knochen und in der versengten Haut. »Ich habe keine Heilkraft mehr.«
    Er wollte den Arm heben, doch er brachte nur ein Zucken des Handgelenks zustande. »Gut gemacht«, flüsterte er. Ich schob die Hand unter seine halb zur Faust geballten Finger und schluchzte auf, als ich ihr kraftloses
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