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EONA - Das letzte Drachenauge

EONA - Das letzte Drachenauge

Titel: EONA - Das letzte Drachenauge
Autoren: Alison Goodman
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darauf wartet, etwas Neues zu schaffen, und lass das Alte verdorren und vergehen. Nimm alles.
    Idos Worte. Die Worte des schwarzen Buches.
    Der Spiegeldrache hob das riesige Kinn und bot mir seine goldene Weisheit dar, wie er es einst in der Arena getan hatte. Die Worte des Righi gruben sich in die Kaiserliche Perle und entzündeten deren silbernes Hua zu einem Ball aus weißem Feuer, dessen Macht schmerzend in meine Hände stach. Das war der Anfang. Und das Ende.
    »Leb wohl!«, flüsterte ich meinem Drachen zu.
    Ich hob die Arme und drückte die weißen Flammen gegen das Gold an ihrem Hals. Beide Perlen flackerten auf und verschmolzen und die ungeheure Kraft stieß mir die Hände weg. Mit einem leisen, nach Zimt duftenden Seufzer senkte der Spiegeldrache den Kopf und die große glühende Perle fiel zu Boden. Sie stupste sie mit der Nase an ihren Platz. Kaum war der Kreis geschlossen, sprangen goldene Flammen von Drachenperle zu Drachenperle und ließen sie in goldener Hitze hell leuchten.
    Das Halsband der Götter.
    Ich spürte, wie der Gesang sich in mir veränderte, wie aus dem zischenden Befehl ein trällernder Ruf wurde. Das Righi öffnete den Weg für die zwölf gefesselten Geister.
    Kygo drehte sich mit einem staunenden Lächeln zu mir um.
    Aus den Augenwinkeln nahm ich eine Bewegung wahr, doch ich hatte keine Zeit mehr, um aufzuschreien. Reflexhaft riss Kygo sein Schwert hoch, doch Ido hatte seinen Sprung bereits vollführt und stieß dem Kaiser mit voller Wucht sein langes Messer in den Rücken. Knurrend und mit vor Anstrengung gebleckten Zähnen drehte er es herum und presste den vor Schreck nach Luft schnappenden Kygo an sich. Mir gefror der Gesang in der Kehle. Kygo taumelte zur Seite und fiel schwer auf das Podest – Kinras Schwert noch fest in der Hand. Die weißen Perlen an meinem Arm hoben sich zitternd, während der Spiegeldrache gellend aufschrie und mit diesem Protest das Gebrüll der männlichen Drachen übertönte.
    »Nein!« Ich fiel neben dem Kaiser auf die Knie. »Kygo!«
    Er rang nach Luft, und als er qualvoll Atem holte, quollen Blutbläschen aus seinem Mund. Ich berührte seine Wange – sie war schon ganz kalt vor Schock. Oder war es mein eigener eisiger Schrecken? Meine andere Hand verharrte über dem Messerheft in seinem Rücken.
    »Ich würde es nicht herausziehen, wenn ich an Eurer Stelle wäre«, sagte Ido. »Ich habe genau auf die Stelle gezielt, wo der Pfeil mich getroffen hat. Er hat noch ein paar Minuten.«
    »Was tut Ihr da?«, schrie ich.
    Ido trat näher und beobachtete, wie Kygo nach Atem rang.
    »Tut weh, was?«, fragte er.
    Kygo machte den schwachen Versuch, sein Schwert zu heben, doch es fiel ihm aus der Hand, klirrte auf das Podest und landete vor Idos Füßen. Das Drachenauge trat die Klinge auf die Plattform hinunter.
    »Ich stelle Euch nun vor eine echte Wahl, Eona«, sagte er. »Wenn Ihr Euch dafür entscheidet, mit mir zusammen die ganze Macht an uns zu nehmen, könnt Ihr ihn heilen, seinen Schmerzen ein Ende bereiten und sein Leben retten. Wenn Ihr aber darauf besteht, die Drachen freizulassen, könnt Ihr zusehen, wie er in seinem Blut ertrinkt.«
    »Du Dreckskerl!« Ich ging auf ihn los mit zu Krallen gespreizten Händen, doch ich knallte mit den Knien auf das Podest, weil Ido rechtzeitig zurückgesprungen war.
    »Ich mache es Euch nur leicht, Euch das zu nehmen, was Ihr wirklich wollt«, sagte er.
    Kygo packte mich am Ärmel. »Tu es nicht.« Seine Lippen waren blutverschmiert. »Gib sie ihm nicht.«
    »So viel Ehre – genau wie sein Vater«, spottete Ido. »Ich würde sagen, angesichts der vielen Drachen ringsum und der Menge Blut, die er spuckt, habt Ihr nicht mehr viel Zeit für Eure Entscheidung.«
    Er hatte recht. Kygos Haut war bereits bläulich um die Nase und um den Mund, und das Righi baute sich erneut in mir auf und drang durch meinen Schock hindurch, um das gefesselte Hua der Drachen zu wecken. Ich konnte mich nicht bewegen, gelähmt durch die Unmöglichkeit, mich zu entscheiden. Kygo oder die Drachen. Mein Herz oder meine Pflicht. Alle Gründe, die Drachen zu retten, schossen mir durch den Sinn: Kinra, Wiedergutmachung, das Land, die Menschen, die Zukunft. Und nur ein einziger Grund, Kygo zu retten, dröhnte immer wieder in mir:
    Ich liebte ihn.
    »Nehmt Euch, was Ihr wollt, Eona«, sagte Ido. »Das habt Ihr immer getan. Warum solltet Ihr nun damit aufhören?«
    Seine Lippen verzogen sich zu einem schwachen Lächeln. Er war sich so sicher, dass ich
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