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Enwor 8 - Der flüsternde Turm

Enwor 8 - Der flüsternde Turm

Titel: Enwor 8 - Der flüsternde Turm
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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einer grauen Staubschicht bedeckt, wie alles hier drinnen, aber Skar sah auch, daß sie nicht halb so dick war wie auf dem Boden. Und keineswegs unversehrt. Jemand hatte versucht, die Schleifspuren beiderseits des Thrones zu entfernen, sich aber dabei nicht besonders geschickt angestellt. Skar wunderte sich ein wenig, daß ihm das nicht sofort aufgefallen war. Offensichtlich hatte ihn der Marsch durch die tote Stadt doch nicht ganz so unberührt gelassen, wie er sich selbst eingeredet hatte.
    Kiina beobachtete ihn mit wachsender Verblüffung, während er sich vor dem Thron auf die Knie sinken ließ und mit spitzen Fingern über den rechten der beiden Drachenköpfe tastete. Gowenna hatte ihm den verborgenen Mechanismus gezeigt, aber es war lange her, und es war fast im Spiel gewesen; er hatte nicht sehr gut aufgepaßt, denn sie wie er hatten gewußt, daß er nicht zurückkommen würde.
    Aber woran sich seine Gedanken nicht mehr erinnerten, hatten seine Hände nicht vergessen. Seine Finger drückten auf einen der schwarzen Drachenzähne und fanden wie von selbst in den richtigen Rhythmus: Aus dem Inneren des Thrones erklang ein helles, aber durchdringendes Schnappen, und plötzlich bewegte sich der tonnenschwere Block um ein winziges Stück. Skar drückte mit der Schulter gegen den Sockel des Thrones, und er bewegte sich abermals; aber nicht sehr weit und nicht so leicht, wie er es sollte. Zwischen dem Fuß des Thronsessels und den steinernen Bodenfliesen entstand ein haarfeiner, dunkler Riß. Staub rieselte hindurch und verschwand lautlos in der Tiefe.
    Kiina sog überrascht die Luft ein und wollte eine Frage stellen, aber Skar schnitt ihr mit einer Geste das Wort ab.
    »Hilf mir«, sagte er. »Der Mechanismus scheint verklemmt zu sein.«
    Kiina gehorchte. Selbst zu zweit überstieg es fast ihre Kräfte, den Riß im Boden so weit zu verbreitern, daß Skar hindurchsehen konnte. Im ersten Moment erkannte er nichts, aber nachdem sich seine Augen ein wenig an die Dunkelheit gewöhnt hatten, glaubte er einen schwachen, rötlichen Lichtschimmer weit unter sich auszumachen. Der Schein einer Fackel, gedämpft oder sehr weit entfernt.
    »Was ist das?« fragte Kiina fassungslos.
    Skar stemmte sich abermals gegen den Thron und schob mit aller Kraft. »Ein geheimer Gang, der direkt in die Katakomben führt«, erklärte er mit zusammengebissenen Zähnen. »Die Erbauer dieses Palastes waren offensichtlich nicht ganz so sehr von der Unantastbarkeit seiner Bewohner überzeugt wie sie selbst.
    Von hier aus führt eine Treppe direkt in die Drachenhöhlen.« »Davon wußte nicht einmal ich«, sagte Kiina staunend.
    »Deine Mutter hat sie mir gezeigt, als ich hier war.« Skar hörte für einen Moment auf zu schieben und zu drücken, atmete tief ein und warf sich dann noch einmal mit aller Kraft gegen den Thron. Ein helles, in Ohren und Zähnen schmerzendes Kreischen erklang
    - und plötzlich glitt der Thron so leicht und schnell nach hinten, daß Kiina Skar am Gürtel festhalten mußte, damit er nicht kopfüber in die Tiefe fiel.
    Skar richtete sich ungeschickt auf, nickte Kiina dankbar zu und hustete. Ihre Bewegungen hatten den Staub wieder aufgewirbelt, und Skar registrierte beunruhigt, wie bitter und scharf er schmeckte; völlig anders als alles, das er je kennengelernt hatte. Er wedelte mit der Hand vor dem Gesicht in der Luft, um nicht mehr von dem Zeug einatmen zu müssen als unbedingt nötig und forderte Kiina mit Gesten auf, loszugehen. Sie zögerte nur einen kur-zen Moment, dann setzte sie den Fuß auf die oberste Stufe und verschwand rasch in der Tiefe.
    Skar fluchte lautlos in sich hinein, als er ihr folgte. Der zweite Fehler: er hatte vergessen, wie eng die gewendelte Treppe war. Die Stufen führten beinahe senkrecht in die Tiefe, und sie waren so schmal, daß Skar nicht einmal gerade gehen konnte und es ihm schlichtweg unmöglich war, sich an Kiina vorbeizudrängen. Der Gedanke, sie vorausgehen zu lassen, gefiel ihm nicht besonders. Er hatte keine Ahnung, welche Gefahren dort unten auf sie lauern mochten. Aber es war zu spät, den Fehler zu korrigieren.
    Kiinas Schatten verschluckte den ohnehin schwachen Lichtschimmer unter ihnen, so daß Skar sich durch fast vollkommene Dunkelheit bewegte; was aber kein Problem war — der Treppenschacht war so schmal, daß er ohnehin mit beiden Schultern an der Wand entlangstreifte und kaum die Gefahr bestand, zu stolpern.
    Er versuchte die Stufen zu zählen, um nicht vollends die
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