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Enwor 2 - Die brennende Stadt

Enwor 2 - Die brennende Stadt

Titel: Enwor 2 - Die brennende Stadt
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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dauerte eine Weile, bis Skar wirklich begriff. »Du… warst hier?« keuchte er. »Du hast den Kampf gesehen? Du… warst die ganze Zeit über hier?«
    »Sie ist schon seit Tagen in unserer Nähe«, sagte eine Stimme hinter ihm. Skar wandte den Kopf und erblickte Gowenna, die sich von ihrem Platz gelöst und zu ihm herübergekommen war. Ihre Stimme klang flach, als spräche sie im Traum, und ihre Züge waren zur vollkommenen Ausdruckslosigkeit erstarrt. Ihr Blick war starr auf die Errish und den Drachen gerichtet, aber ihre Worte galten Skar.
    »Sie war die ganze Zeit in unserer Nähe«, wiederholte sie.
    »Die .. . die Drachenspuren, die wir fanden — erinnerst du dich? Es war ihr Drache. Sie hat die Spinne aus ihrer Höhle gejagt und getötet, und sie…«
    »Genug!« unterbrach Vela sie scharf. Zwischen ihren Brauen stand plötzlich eine steile, ärgerliche Falte, und der Ausdruck in ihren Augen schien um mehrere Nuancen härter geworden zu sein.
    »Ich habe über euch gewacht, das stimmt. Ihr wäret dieser Bestie wie dumme Kinder in die Fänge gelaufen, wenn ich sie nicht erledigt hätte.«
    »Das ist nicht wahr«, sagte Gowenna ruhig. »Du hast uns bespitzelt, vom ersten Moment an. Du hattest nie vor, uns —«
    »Ich sagte: genug«, fiel ihr die Errish ins Wort. »Ich brauche mich nicht zu rechtfertigen, weder vor dir noch vor irgendeinem Menschen. Habt ihr wirklich geglaubt, daß ich einen Schatz wie den Stein in euren Händen lasse? Habt ihr wirklich erwartet, daß ich etwas, das über das Schicksal der Menschheit entscheiden kann, jemandem wie dir anvertraue, dir oder diesem Satai?« Sie lachte abfällig, rutschte in eine bequemere Position und tätschelte dem Drachen geistesabwesend den Schädel. Das Tier stieß ein tiefes, zufriedenes Knurren aus, obwohl es die Berührung kaum gespürt haben konnte.
    »Du hast mich benutzt«, sagte Gowenna. »Wie eine Figur in einem Spiel hast du mich benutzt.«
    Vela nickte ungerührt. »Sicher. Was hast du erwartet? Es steht zu viel auf dem Spiel, um auf Gefühle Rücksicht zu nehmen.« Sie beugte sich vor, stützte die Handflächen auf dem Drachenkopf auf und sah Gowenna kalt an.
    »Du hast gegen meinen Befehl gehandelt, Gowenna«, sagte sie leise. »Ich befahl dir, den Satai zu töten, aber du hast es nicht getan. Ich habe keine Verwendung für jemanden, der meine Befehle nicht befolgt.«
    »Ich bin keine Mörderin, Vela.«
    Die Errish antwortete nicht, aber der mitleidlose, kalte Ausdruck in ihren Augen traf Skar mehr, als es jedes Wort getan hätte. Er begriff plötzlich, daß diese Erau sie mit derselben Gleichgültigkeit betrachtete, mit der man einem lästigen Insekt gegenübertrat, daß Worte wie >Menschlichkeit< und >Wärme< in ihrer Sprache nicht vorhanden waren. Was sie tat, tat sie überlegt, nicht unbedingt böse, aber kalt, seelenlos.
    Er ballte in hilflosem Zorn die Fäuste. Für einen Augenblick wurde die Verlockung übermächtig, dem Drängen in sich freien Lauf zu lassen, sich ganz aufzugeben und die dunkle Macht in seinem Inneren zu entfesseln und Vela zu töten. Er wußte, daß er es konnte. Nicht einmal die Errish und der Drache waren seinem dunklen Bruder gewachsen. Aber er wußte auch, daß er nie wieder er selbst werden würde, wenn er dem namenlosen Ding in sich gestattete, einmal wirkliche Macht über ihn zu erlangen.
    »Warum tust du es nicht, Skar?« fragte Vela spöttisch.
    Skar schrak aus seinen Gedanken hoch. »Was?«
    »Du willst mich umbringen«, sagte Vela ruhig. »Also, warum tust du es nicht?«
    Skar stöhnte. Kalter Schweiß trat auf seine Stirn. Seine Lippen bebten.
    »Was… hast du mit mir gemacht, du Hexe?« fragte er mühsam.
    Es war wie die Male zuvor, nur schlimmer. Er wollte sie hassen, wollte seinem Zorn freien Lauf lassen, aber er konnte es nicht. Seine Gefühle waren in Unordnung.
    »Du kannst es nicht, Skar«, fuhr Vela fort. »Ein kleiner Liebeszauber, von dem du nichts gemerkt hast — ich hoffe, du verzeihst mir diesen kleinen Kunstgriff, aber es mußte sein. Ich habe nicht erwartet, daß du plötzlich das Bedürfnis verspürst, mich in die Arme zu schließen und zu küssen, aber du bist mir auch nicht wirklich böse, oder?« Sie lächelte wieder, schüttelte mit einer raschen Bewegung das Haar in den Nacken und wurde übergangslos ernst.
    »Wir haben genug Zeit verloren«, fuhr sie in verändertem Tonfall fort. »Ich nehme an, du trägst den Stein bei dir. Gib ihn mir.« Skars Hand fuhr an den Brustbeutel; ein
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