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Enwor 2 - Die brennende Stadt

Enwor 2 - Die brennende Stadt

Titel: Enwor 2 - Die brennende Stadt
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hätte; auch nicht allein die Angst oder das bohrende Mißtrauen, das ihre Gruppe wie ein schleichendes Gift von innen heraus zerfraß; nicht einmal das Wissen, daß alles, was sie bisher durchgemacht hatten, nicht viel mehr als ein Vorgeschmack auf das war, was sie noch erwartete. Vielleicht, überlegte er, war es eine Kombination all dem gewesen, das ihre Seelen im gleichen Maße zermürbt hatte wie die unbarmherzigen Hiebe des Windes ihre Körper. Aber vielleicht war es auch etwas ganz anderes.
    Skar schüttelte den Gedanken mit einem ärgerlichen Achselzuk-ken ab und begann langsam im Kreis zu gehen. Seine Stiefel versanken bei jedem Schritt bis weit über die Waden im Schnee, und er wußte, daß er eigentlich mehr Kraft verbrauchte, als er sich leisten konnte. Eine einsame Schneeflocke sank auf seine Schulter herab, glitzerte einen Moment lang im verklebten Fell seines Umhanges und zerschmolz, als sein Atem sie streifte. Er lächelte.
    »Was amüsiert dich so, Satai?«
    Skar blieb stehen und sah Nol stirnrunzelnd an. Er hatte nicht gemerkt, daß der Malabese ihm gefolgt war. Ein deutliches Anzeichen für den Grad seiner Erschöpfung.
    »Vielleicht freue ich mich, daß ich noch lebe«, sagte er nach einer Weile. Nol grinste schief. »Warte noch ein paar Tage damit«, riet er.
    »Wenn du es dann noch kannst.«
    Skar funkelte den Graugesichtigen einen Herzschlag lang wütend an und sah dann zum Höhleneingang hinüber.
    Der Anblick bereitete ihm Unbehagen, beinahe Angst. Er legte den Kopf in den Nacken, ließ den Blick an den spiegelblank polierten Felswänden emporwandern und betrachtete den schmalen, dunkelrot gefärbten Streifen Himmel im Westen. Er hatte sich immer noch nicht an den Anblick gewöhnt, und er würde sich auch nicht daran gewöhnen, ganz egal, wie lange es noch dauerte. Und er wußte, daß es auch den anderen nicht besser erging. Sie hatten ganz zu Anfang, noch an Bord der Sharookan, einmal über Combat geredet, das Thema aber seither wie auf eine geheime Verabredung hin beinahe ängstlich vermieden, wie Kinder, die glaubten, einer Ge-
    fahr allein dadurch entgehen zu können, daß sie sie verleugneten. Dabei wußte jeder von ihnen bereits jetzt mehr über die verwunschene Stadt als alle Tempelpriester und Schriftgelehrten von Ikne und Besh zusammen. Der lodernde Feuerschein hatte ihnen den Weg gewiesen, seit sie den Paß überwunden hatten: eine flammende Glorie, die den Himmel in flackerndes, blutiges Rot tauchte und die Berge davor zu nachtschwarzen, flachen Schatten degradierte. Skar hatte Zeit genug gehabt, sich an das Bild zu gewöhnen; trotzdem ließ ihn der Anblick für einen Moment selbst seine Müdigkeit vergessen. Der brennende Himmel dort oben erschien ihm wie eine stumme Warnung, eine gleichermaßen unhörbare wie unüberhörbare Stimme, die ihm zurief, umzukehren, keinen Schritt weiter zu gehen und das Schicksal nicht noch stärker herauszufordern, als er es bereits getan hatte.
    Nun, wenigstens diese Entscheidung war ihm abgenommen. Vielleicht war er in dieser Beziehung sogar besser dran als die anderen. Sie konnten zurück, zumindest theoretisch.
Er
hatte diese Wahl nicht. Wenn er überhaupt eine Wahl hatte, dann die zwischen einem raschen Tod in Combat und der Aussicht, zwei oder drei Monate lang zu sterben.
    »Was denkst du?« fragte Nol leise.
    Skar riß seinen Blick von der Felswand und dem glosenden Himmel los und sah den Malabesen an. »Wie machst du das eigentlich?« fragte er anstelle einer direkten Antwort.
    »Was?«
    »Ich frage mich, wie du es schaffst, den ganzen Tag mit offenem Mund herumzulaufen, ohne daß dir die Zunge einfriert.«
    Nol blinzelte, sperrte den Mund auf und machte ein betroffenes Gesicht. Dann grinste er. »Ganz einfach. Ich halte sie in Bewegung.«
    Skar erwiderte das Grinsen, boxte ihm spielerisch in die Rippen und deutete mit einer Kopfbewegung auf die anderen.
    »Wir sollten Feuer machen. Es kann verdammt kalt werden heute nacht. Ich habe keine Lust, morgen mit erfrorenen Fingern oder Zehen aufzuwachen.«
    »Denk einfach an den morgigen Tag«, erwiderte Nol mit todernster Miene. »Dann wird dir warm genug.«
    Skar verstummte. Nol würde wahrscheinlich aus reiner Sturheit zu den Überlebenden der Expedition gehören, und sei es nur, damit er das letzte Wort behielt.
    Skar ging zu seinem Pferd zurück und machte sich mit ungeschickten Bewegungen daran, das Sattelzeug zu lösen. Es war schwer und steif vor Kälte und Eis. Er brauchte eine geraume
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