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Entscheidung aus Liebe

Titel: Entscheidung aus Liebe
Autoren: Jacqueline Navin
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„Wir wollten spazieren gehen. Ich gebe zu, dass ich
    mich bei der Einschätzung des Wetters geirrt habe. Aber der Himmel in England ist so oft grau und bewölkt. Wenn man in diesem Land nicht manchmal riskiert, in ein Unwetter zu geraten, müsste man ständig im Haus eingesperrt bleiben."
    Eigentlich hätten ihn ihre Worte noch mehr erzürnen müssen, aber er sah in ihren Augen, dass sie die Wahrheit sprach. Ein Wassertropfen rollte über ihre Nase, und Jareth hätte ihn am liebsten mit einem Finger abgewischt.
    „Miss Pesserat", sagte er schließlich. „Es entgeht meinem Verständnis, was so schwer daran ist, von einem Himmel voller dunkler Wolken auf das Wetter zu schließen. Falls Ihr Urteilsvermögen nicht einmal hierfür ausreicht, sollte ich vielleicht Ihre Fähigkeiten als Gouvernante überdenken."
    „Meine ... Fähigkeiten?"
    „Ja, Sie kennen das Wort. Ich habe bereits festgestellt, dass Ihr englisches Vokabular ausgezeichnet ist, wenn Sie Ihre Meinung kundtun. Sollen Sie jedoch auf einen Kommentar antworten, der Ihnen nicht gefällt, geben Sie vor, ein Wort nicht zu verstehen. Es ist eine charmante kleine List, wie ich zugeben muss."
    Sie hielt sich so aufrecht wie ein Soldat beim Appell und streckte ihm trotzig ihr kleines Kinn entgegen. Jareth musste ein Lächeln unterdrücken.
    „Ja, ich verstehe Ihr Englisch sehr gut. Dennoch gibt es einige Worte, die mich von Zeit zu Zeit verwirren. In diesem Fall kannte ich sehr wohl die Bedeutung des Wortes. Ich war nur verwundert darüber, dass Sie meine Fähigkeiten in Frage stellen."
    „Und was sollte ich Ihrer Meinung nach tun?" fragte er wütend. „Sie lassen zu, dass sich die Mädchen auf die unschicklichste Weise benehmen und ..."
    „Das ist nicht wahr!"
    „Miss Pesserat ..."
    „Ich verstehe nicht, warum Sie so aufgebracht sind. Es handelt sich lediglich um Wasser. Die Kinder bestehen nicht aus Zucker, der im Regen schmilzt."
    „Darum geht es nicht ..."
    „Man könnte beinahe annehmen, dass so etwas Alltägliches wie Regen in England ein völlig unbekanntes Phänomen ist. Trotzdem habe ich niemals zuvor ein so miserables Wetter wie an diesem Ort gesehen."
    „Unterbrechen Sie mich nicht noch einmal, junge Dame!" donnerte er mit erhobenem Zeigefinger. In dem darauf folgenden Schweigen war er sich zweier überraschender Gefühle bewusst. Zum einen schämte er sich über seinen unangebrachten Gefühlsausbruch. Andererseits aber verspürte er eine tiefe ... Zufriedenheit. Es war befreiend gewesen, zur Abwechslung einmal zu schreien. Mäßigung schien ihm auf einmal nicht mehr so wichtig zu sein.
    Fassungslos starrte er seinen erhobenen Finger an. Sein Vater hatte stets dieselbe Geste benutzt, wenn er einen seiner Söhne getadelt hatte. Wann hatte Jareth nur diese Angewohnheit entwickelt? Die Frage konnte er nicht einmal beantworten, da er bis heute niemals so wütend gewesen war.
    „Es tut mir Leid", sagte er.
    Er hörte, wie hinter ihnen jemand die Tür öffnete, „Meine Güte" hauchte und eilig wieder schloss. Es musste einer der Dienstboten gewesen sein.
    „Ich wollte mich Ihnen gegenüber nicht respektlos benehmen", murmelte Chloe.
    Er nahm wieder eine entspannte Haltung ein. „Und dennoch tun Sie es ständig, Miss Pesserat. Es scheint Ihnen nicht schwer zu fallen."
    Sie seufzte laut. „Leider ist es oft unvermeidbar."
    „Sie müssten sich nur bemühen, nachgiebiger zu sein."
    Widerspruch blitzte in ihren Augen auf. „Könnten Sie sich nicht ebenfalls darum bemühen?"
    „Ich", antwortete er gleichmütig, „bin der Duke."
    „Das macht Sie nicht unfehlbar", konterte sie unbeeindruckt.
    Sie fängt schon wieder damit an, dachte er. „Es bedeutet, dass ich der Herr dieses Hauses bin und meinen Anweisungen Folge geleistet werden muss - ohne jeden meiner Befehle in Frage zu stellen, versteht sich."
    Zu seiner Überraschung gab sie ihm keine zornige Antwort, sondern wechselte das Thema. „Warum haben Sie neulich so eilig das Spielzimmer verlassen?" fragte sie.
    Er blinzelte verwirrt. „Wie bitte?"
    „Im Spielzimmer, als Sie die Unordnung kritisierten. Ihre Wut war plötzlich verschwunden, und sie verließen äußerst abrupt das Zimmer."
    „Was zum Teufel ...?" Er fuhr sich mit der Hand durch das dichte Haar und seufzte. „Warum wollen Sie das ausgerechnet in einem solchen Moment wissen?"
    „Nun, weil Sie Ihren Wutausbruch offensichtlich bereuten, als Sie die Aufregung der Kinder bemerkten. Sie schienen sogar erstaunt zu sein, sich in
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