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Entrissen

Entrissen

Titel: Entrissen
Autoren: Tania Carver
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Frau lachte. »Der Größe nach zu urteilen, kann es jeden Tag losgehen. Achter Monat. Ich heiße übrigens Caroline.« »Marina.«
    »Freut mich. Also, kommen Sie nur rein. Wir beißen nicht.«
    Caroline betrat den Kursraum, Marina folgte ihr. Verstohlen musterte sie die andere Frau. Erst jetzt sah sie ihr ins Gesicht statt auf den Bauch: Mitte dreißig, gepflegt, lebhaft - vermutlich eine Hausfrau aus Lexden oder einem ähnlich wohlhabenden Viertel. Sie achtete auf ihr Äußeres, verbrachte ihre Tage beim Mittagessen mit Freundinnen, im Fitnessclub, bei Friseurbesuchen, bei der Nagelmodellage oder mit Shoppingtouren. Ganz und gar nicht Marinas Welt. Caroline blieb stehen, um mit den anderen Frauen ein paar Worte zu wechseln. Sie begrüßte sie wie alte Bekannte. Sie sahen alle genauso aus wie Caroline: fröhlich, bunt und dick. Wie sie sie so ausgelassen schnattern und lachen hörte, hatte Marina das Gefühl, in einen Kongress der Teletubbies gestolpert zu sein.
    Am liebsten hätte sie sich auf der Stelle umgedreht und das Weite gesucht.
    Aber in diesem Moment kam die Kursleiterin und schloss die Tür hinter sich. Der Fluchtweg war abgeschnitten.
    »Ich sehe, wir haben jemand Neues ...« Die Leiterin bedeutete Marina, näher zu kommen.
    Caroline winkte sie an ihre Seite. Marina versuchte, sich ihren Widerwillen nicht anmerken zu lassen, rollte ihre Matte aus und wartete darauf, dass die Stunde begann.
    So. Sie hatte es getan. Es öffentlich zugegeben.
    Sie war schwanger.
     

4
     
    Phil blieb einige Sekunden lang stumm.
    Er sah seine beiden jungen Kollegen an. Auch ihnen schien es angesichts der Ungeheuerlichkeit dessen, was Nick Lines soeben gesagt hatte, die Sprache verschlagen zu haben.
    Durchaus wahrscheinlich, dass das Baby noch am Leben ist...
    »Oh Gott ...« Endlich hatte Phil seine Sprache wiedergefunden.
    »Korrekt«, meinte Nick Lines. Dann warf er einen Blick zum Bett hinüber. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden.«
    Phil nickte und lotste sein Team nach draußen, damit der Pathologe ungestört mit seiner Arbeit fortfahren konnte. Keiner der drei sagte ein Wort.
    Phil spürte, wie es ihm erneut eng in der Brust wurde. Sein Puls beschleunigte sich. Er konnte hören, wie das Blut durch seinen Körper rauschte, fühlte das Pochen seines Herzens wie die Schläge eines Metronoms, das unablässig die Sekunden zählte. Eine tickende Uhr, die ihn mahnte, endlich mit den Ermittlungen zu beginnen und das verschollene Baby zu finden ...
    Er rief eine uniformierte Polizistin aus dem Wohnzimmer zu sich. »Also schön, ich will, dass alles hier -« Er hielt inne. »Liz, richtig?«
    Sie nickte.
    »Gut. Liz.« Er sprach schnell, aber deutlich. »Ich will, dass der gesamte Apartmentkomplex durchkämmt wird. Jeder muss befragt werden, lassen Sie sich nicht abwimmeln. Holen Sie sich so viele Leute, wie Sie dafür brauchen. Sie wissen, worum es mir geht: Hat einer der Nachbarn etwas gehört, jemand Verdächtiges gesehen? Irgend jemandem muss etwas aufgefallen sein. Lassen Sie sich bei den Fragen von Ihrem Instinkt leiten. Ich habe bemerkt, dass die Wohnungen alle über Gegensprechanlagen mit Monitor verfügen. Wenn der Täter von draußen ins Haus gekommen ist, dann muss ihm jemand aufgemacht haben. Und das heißt, dass er gesehen wurde. Außerdem will ich, dass die nähere Umgebung abgesucht wird. Tun Sie es gründlich, aber schnell. Sie wissen, wonach wir suchen.«
    Die Polizistin nickte und ging, um mit der Suche zu beginnen.
    »Boss ...«
    Phil wandte sich um. Vor ihm stand Anni. Zwar war sie nicht die Frau mit dem höchsten Rang in seinem Team, aber er hatte sie ausdrücklich für den Fall angefordert. Sie war ausgebildet im Umgang mit Vergewaltigungsopfern, missbrauchten Kindern und hatte Erfahrung mit Situationen, in denen die Anwesenheit eines männlichen Polizeibeamten hinderlich sein konnte. Aber Phil hatte sie noch aus einem anderen Grund herbestellt: Annis Intelligenz und ihre Intuition suchten ihresgleichen. Und ihrer ständig wechselnden Haarfarbe sowie ihrem verschmitzten Lachen zum Trotz war sie knallhart. Härter als die meisten ihrer männlichen Kollegen. Sogar härter als Phil selbst. Um all dieser Dinge willen konnte er ihr sogar verzeihen, dass sie albernerweise darauf bestand, ihren Vornamen statt mit
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bloß mit
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zu schreiben.
    »Ja, Anni?«
    »Was ist mit Julie Simpson?«
    Phil warf einen Blick in die Runde, während er die Geschehnisse zu rekonstruieren versuchte. »Wenn es in erster
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