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Entfuehrung nach Gretna Green

Titel: Entfuehrung nach Gretna Green
Autoren: Karen Hawkins
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geschleudert wurden. Keuchend landete Venetia wieder auf dem Sitz. „Ravenscroft, wir fahren viel zu schnell! “
    Er streckte ein Bein vor und stemmte den Fuß in die Ecke der Kutsche, um zu verhindern, dass er erneut in die Luft flog. „Wir können nicht langsamer fahren“, erklärte er im Ton eines trotzigen Kindes. „Ihre Mutter erwartet uns.“
    „Wenn wir einen Unfall haben und uns überschlagen, kommen wir überhaupt nicht an! “
    Ravenscroft zog die Mundwinkel nach unten, sagte aber nichts. Missmutig zerrte Venetia an der Decke, die über ihrem Schoß ausgebreitet war. Von der unsanften Fahrt war sie inzwischen sicher grün und blau, sie war müde und fühlte sich völlig zerschlagen. Außerdem wurde es mit jeder Meile, die sie nach Norden fuhren, kälter, deutlich kälter. So kalt, dass sie plötzlich an Gregor denken musste.
    Gregor. Verdammt, sie hatte ihm keine Nachricht hinterlassen! Inzwischen würde er in Oglivie House sein und sich wundern, wo sie war.
    Mit geschlossenen Augen klammerte sich Venetia an den Rand ihres Sitzes, während die Kutsche schlingernd und ruckelnd dahinraste. Gregor MacLean war ihr bester Freund. Er kannte all ihre Schwächen und Fehler, ihre Vorlieben und ihre Enttäuschungen, und sie kannte seine. Sie vertraute seinem gesunden Menschenverstand. Was würde er ihr in der Situation raten, in der sie gerade war?
    Wahrscheinlich würde er ihr eine gepfefferte Standpauke halten, weil sie so unüberlegt Ravenscrofts Hilfe angenommen und mit ihm losgefahren war. Gregor tat niemals etwas, nur um anderen zu helfen. Seiner egoistischen Meinung nach sollte sich jeder selbst helfen. Nur schwache Menschen brauchten Unterstützung.
    Venetia hielt Gregors Sichtweise für ein wenig naiv. Allerdings wunderte sie sich nicht über seine Art, die Welt und die Menschen zu bewerten, denn ihm lag praktisch die ganze Londoner Gesellschaft zu Füßen. Nicht nur wegen seines guten Aussehens, sondern auch wegen der geheimnisvollen Dinge, die man sich über ihn zuflüsterte. Es ging das Gerücht um, er und seine ganze Familie hätten die Gabe, Winde wehen, Stürme toben und Donnerschläge über den Köpfen ihrer Feinde niedergehen lassen zu können. Man erzählte sich hinter vorgehaltener Hand, in einem längst vergangenen Jahrhundert sei Gregors Familie verflucht worden. Wann immer sie nun die Beherrschung verloren und wütend wurden, erhoben sich Stürme, wilde, unkontrollierbare Stürme, die alles zerstören konnten, womit sie in Berührung kamen. Aus diesem Grund mussten alle MacLeans ständig auf der Hut sein, die Beherrschung zu bewahren.
    Seufzend streckte Venetia die Hand aus und löste erneut die Ösen des Ledervorhangs, um wieder hinauszustarren. Als sie vor vielen Jahren Gregor kennengelemt hatte, hatte sie die Gerüchte gehört, ihnen aber keinen Glauben geschenkt. Im Laufe der Zeit hatte sie jedoch erlebt, welche Auswirkungen es hatte, wenn Gregor wütend wurde - und aus diesem Grund musste sie wegen der rasch zusammenziehenden Wolken und der von Minute zu Minute eisiger werdenden Luft an Gregor denken.
    Vielleicht hatte er herausgefunden, dass sie verschwunden war, und nahte bereits auf dem Rücken seines Pferdes, um sie zu retten. Sie genoss die Vorstellung, wie Gregor schnell wie der Teufel auf einem weißen Pferd zu ihrer Rettung herbeigaloppierte, während seine grünen Augen vor Wut glühten.
    Doch dann ließ sie den Kopf sinken. Das wäre alles, was Gregor fühlen würde, käme er jemals in die Situation, zu ihrer Rettung herbeizueilen - Wut und große Verwunderung darüber, dass sie dumm genug gewesen war, sich derart hereinlegen zu lassen.
    Entmutigt zog sie den Vorhang wieder zu und ließ sich in ihrem Sitz zurückfallen.
    „Was ist los?“, erkundigte sich Ravenscroft und erblasste. „Haben Sie auf der Straße jemanden gesehen? Verfolgen sie uns?“
    „Nein“, erwiderte sie knapp. „Niemand folgt uns.“ Sie verschränkte die Arme, zog die Decke ein wenig dichter an sich heran und musterte ihren Begleiter mit starrem Blick.
    Ravenscroft verzog sein Gesicht zu einem Lächeln, das in etwa so behaglich wirkte wie das Korsett des Prince of Wales. „Nun“, verkündete er mit gequälter Heiterkeit. „Ich behaupte, es ist heute kälter, als ich es jemals zuvor im April erlebt habe. Sind Sie nicht auch der Meinung,Vene...“
    „Miss Oglivie, wenn es Ihnen nichts ausmacht.“
    Sein Lächeln gefror. „Selbstverständlich, Miss Oglivie.“ „Vielen Dank. Und ja, ich finde
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