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Entfuehrung nach Gretna Green

Titel: Entfuehrung nach Gretna Green
Autoren: Karen Hawkins
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können: den Hang, sich allzu sehr in das Leben anderer Menschen einzumischen.
    „Bentley!“ Mr. Oglivies Stimme hallte noch lauter als zuvor durchs Haus, und am Ende seines Ausrufs war nun zusätzlich noch ein unterdrücktes Schluchzen zu vernehmen.
    Gregor klopfte erneut an die Tür. Je rascher es ihm gelang, Venetia wie verabredet zu ihrem gemeinsamen morgendlichen Ausritt abzuholen, umso schneller konnte er das Irrenhaus, in dem sie leider lebte, wieder verlassen.
    Die Haustür wurde aufgerissen, und der normalerweise äußerst gelassene Butler stieß einen erleichterten Seufzer aus. „Mylord, ich bin so froh ... Sie können sich gar nicht vorstellen ... Es war ein entsetzlicher Morgen und ... “
    Ohne sich weiter um den fassungslosen Butler zu kümmern, trat Gregor durch die Tür. In Oglivie House führten solche Nebensächlichkeiten wie die Kündigung des Kochs oder ein verloren gegangenes Armband zu Szenen, die einem Bühnendrama glichen, in dem selbstverständlich auch wilde Beschimpfungen, lautes Geschrei, gegenseitige Anschuldigungen und Weinkrämpfe vorkamen. Dank langjähriger Erfahrung wusste Gregor, der beste Weg, mit solchen Auftritten umzugehen, war, sie zu ignorieren. „Ich bin gekommen, um Miss Venetia zu unserem Morgenritt abzuholen. Sie ist fertig, nehme ich an?“
    Von oben war ein dumpfer Knall zu hören, der den Kronleuchter in der Halle zum Klirren brachte.
    Mit finsterem Blick schaute Gregor in Richtung Treppe, bevor er sich unbehaglich erkundigte: „Erwartet Miss Venetia mich im Frühstückszimmer? Wir sollten uns beeilen, damit wir im Park sind, bevor die Dandys aus den Betten steigen und die Wege verstopfen.“
    Bentley zog die Brauen zusammen. „Aber Mylord, Miss Oglivie ist nicht ... “
    Dieses Mal ertönte von oben ein lautes Krachen, gefolgt von einem unmissverständlichen Schrei: „Bentley! Lassen Sie die Kutsche Vorfahren! “
    Gregor warf Bentley einen strengen Blick zu. „Was haben Sie eben über Miss Oglivie gesagt?“
    Die Augen des Butlers flackerten unruhig. „ Sie ist verschwunden, Mylord, und wir wissen nicht, wo wir sie suchen sollen.“
    „Was?“ Gregor stieß das Wort so heftig hervor, dass es durch die Luft zu rollen schien.
    Der Butler rang die Hände. „Ja, Mylord. Offenbar hat Miss Oglivie das Haus sehr früh am Morgen verlassen, und niemand weiß, wohin sie gegangen ist.“ Nach einem vorsorglichen Blick in Richtung Treppe beugte Bentley sich vor und fügte mit leiser Stimme hinzu: „Sie hat eine Nachricht für Mr. Oglivie hinterlassen, und seit er sie gelesen hat, ist er furchtbar aufgebracht.“
    „Wissen Sie, was in dem Brief stand?“
    Bedauernd schüttelte Bentley den Kopf.
    Wie seltsam. Es sah Venetia gar nicht ähnlich, so etwas zu tun ...
    Oben wurde eine Tür ins Schloss geworfen, dann erschien Mr. Oglivie auf dem Treppenabsatz und rannte die Stufen hinunter. Normalerweise war er ein höchst eleganter Mann, doch an diesem Morgen trug er ein langes weißes Nachthemd, sein offener Morgenmantel flatterte wild um ihn herum, er war barfuß, und sein Haar lugte als weißer, ungeordneter Mopp unter der im Rutschen begriffenen Nachtmütze hervor.
    „Bentley!“, schrie Oglivie und schwenkte einen zerknüllten Zettel über seinem Kopf. „Haben Sie mich nicht gehört? Wir müssen ... Venetia kann nicht ... Vielleicht hat sie schon ... Oh, nein! “ Seine Stimme brach, er sank auf die unterste Stufe und hielt mit beiden Händen seinen Kopf. „Was sollen wir tun? Was sollen wir nur tun?“
    Ungerührt betrachtete Gregor Venetias Vater. Vor einiger Zeit hatte Oglivie eine Woche lang gramgebeugt im Bett gelegen, weil seine preisgekrönte Pudeldame verschwunden war. Er war der Überzeugung gewesen, man habe den Hund entführt, um ein Lösegeld zu erpressen. Natürlich war das Tier nach einer Woche wieder aufgetaucht, schmutzig und zerzaust, aber glücklich, nachdem es sich mit einer dreibeinigen Promenadenmischung vergnügt hatte. Die Welpen, die aus dieser Affäre entstanden waren, waren so hässlich, wie es zu erwarten gewesen war.
    Venetias Mutter war aus demselben Holz geschnitzt. Sie pflegte Dienstboten nach Lust und Laune zu entlassen, glaubte jedes Mal, sie müsste sterben, wenn sie Kopfschmerzen hatte, war dem Selbstmord nahe, wenn jemand aus ihrem Bekanntenkreis sie versehentlich auf der Straße übersah und nicht grüßte, und machte ein riesiges Drama daraus, wenn ihr Hut einmal schief saß.
    Gregor hatte unzähligen Szenen dieser Art
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