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Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Titel: Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)
Autoren: Robert Louis Stevenson
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begegneten, erwachte mein Mißtrauen wieder.
    Eine bestimmte Entdeckung, die ich gemacht hatte, ließ erneut Zweifel in mir aufkommen. Es war eine Eintragung auf dem Vorsatzblatt eines Lesebuchs von Patrik Walker, unverkennbar in der Handschrift meines verstorbenen Vaters. Sie lautete: »Meinem Bruder Ebenezer zu seinem fünften Geburtstag.« Was mir zu denken gab, war dies: Da mein Vater der jüngere von beiden gewesen war, mußte ihm entweder ein seltsamer Irrtum unterlaufen sein, oder aber er mußte als noch nicht Fünfjähriger eine ungewöhnlich klare, fast männliche Handschrift gehabt haben.
    Ich versuchte, mir den Gedanken daran aus dem Kopfe zu schlagen, aber so viele interessante Bücher aus alter und neuerer Zeit ich auch von den Regalen nahm – Geschichtswerke, Gedichte, Erzählungen –, immer wieder kamen mir die von meinem Vater geschriebenen Zeilen in den Sinn, und als ich schließlich in die Küche zurückging, wo mein Oheim mir Haferbrei und Dünnbier vorsetzte, war meine erste Frage, ob mein Vater sich wohl früh mit Schreiben und Lesen beschäftigt habe.
    »Alexander? Aber nein«, lautete die prompte Antwort. »Ich war als Kind viel aufgeweckter als er und habe gleichzeitig mit ihm lesen gelernt.«
    Diese Auskunft verwirrte mich noch mehr. Mir kam ein Einfall, und ich fragte, ob er und mein Vater wohl Zwillinge gewesen seien.
    Ohm Ebenezer sprang so heftig auf, daß sein Hornlöffel zu Boden fiel.
    »Wie kommst du darauf? Was soll die Frage?« schrie er und packte mich beim Rockaufschlag. Dabei sah er mich scharf an. Seine kleinen blanken Vogelaugen blitzten und funkelten böse.
    »Wie meint Ihr das?« fragte ich sehr ruhig, denn ich war viel kräftiger als er und fürchtete mich auch nicht leicht. »Laßt meine Jacke los! Was ist das für ein Benehmen!«
    Es kostete meinen Oheim offenbar große Mühe, sich zu beherrschen.
    »Mann Gottes, David«, rief er, »du solltest mit mir nicht von deinem Vater reden. Das ist ein Fehler. Er war mein einziger Bruder.«
    Eine Weile saß er stumm da, starrte blinzelnd auf seinen Teller, und ich bemerkte, daß der Oheim zitterte.
    Dieser ganze Vorfall, daß er Hand an mich gelegt hatte und plötzlich vorgab, meinen toten Vater geliebt zu haben, ging über mein Fassungsvermögen und machte mich zugleich ängstlich und zuversichtlich. Einerseits überlegte ich, mein Oheim sei vielleicht geisteskrank und könne gefährlich werden, andererseits kam mir, völlig unbeabsichtigt – ja, ich wehrte mich dagegen –, eine lange spannende Geschichte in den Sinn von einem armen Jungen, dem ein böser Anverwandter sein rechtmäßiges Erbe vorenthalten und ihm das Eigentum geraubt hatte. Weshalb sollte mein Oheim einem Neffen, der fast wie ein Bettler bei ihm um Einlaß gebeten hatte, wohl eine solche Komödie vorspielen, wenn er nicht im Grunde seines Herzens Veranlassung hatte, ihn zu fürchten?
    Mit dieser Schlußfolgerung, die ich mir zwar nicht recht eingestehen wollte, die sich aber eisern in meinem Kopfe festsetzte, fing ich an, ihn jetzt auch mit verstohlenen Blicken zu belauern. Wir saßen uns am Tisch gegenüber wie Katz und Maus, und einer beobachtete heimlich den anderen. Er hatte anscheinend nichts mehr zu sagen, weder im Guten noch im Bösen, aber er grübelte insgeheim, und je länger wir so dasaßen, je genauer ich ihn betrachtete, um so klarer wurde mir, daß er etwas Schlimmes gegen mich im Schilde führte.
    Nachdem er das Geschirr weggeräumt hatte, nahm er sich, wie am Morgen, eine Pfeife voll Tabak, rückte seinen Sessel an den Kamin und kehrte mir, seine Pfeife schmauchend, den Rücken zu. Erst nach geraumer Weile begann er zu sprechen.
    »Davie«, sagte er, »ich habe mir etwas überlegt.«
    Er machte eine Pause und wiederholte dann, was er eben gesagt hatte.
    »Da ist eine kleine Geldsumme, die ich dir noch vor deiner Geburt zugedacht hatte – deinem Vater habe ich’s versprochen«, unterbrach er sich. »Nichts Gesetzliches, verstehst du, nur so, was Männer bei einem Glase Wein besprechen. Nun, ich habe das Geld für dich aufbewahrt; es ist mir nicht leichtgefallen, aber versprochen ist versprochen. Die Summe ist im Laufe der Jahre mit Zins und Zinseszins angewachsen und beträgt jetzt insgesamt genau. ...« Er machte eine Pause und fuhr dann stockend fort: »genau vierzig Pfund.«
    Während er diese letzten Worte hervorstieß, warf er mir über die Schulter einen schrägen Blick zu und erläuterte dann fast schreiend: »Schottische Pfunde
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