Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Titel: Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)
Autoren: Robert Louis Stevenson
Vom Netzwerk:
natürlich!«
    Da das schottische Pfund einem englischen Shilling entsprach, war der Unterschied, den sein Nachsatz bewirkte, recht erheblich. Ich hatte ohnehin schon gemerkt, daß die ganze Geschichte erlogen war – erfunden, mit einer bestimmten Absicht, die ich brennend gern erraten hätte. Ich machte auch, als ich antwortete, keinen Versuch, meinen Spott zu verbergen.
    »Überlegt es Euch noch einmal, Sir, es sind doch gewiß Pfund Sterling gewesen.«
    »Natürlich, das sagte ich ja«, erwiderte mein Oheim rasch, »Pfund Sterling, gewiß, und wenn du mal einen Augenblick vor die Tür gehen und nach dem Wetter sehen willst, werde ich sie vorsuchen und dich dann wieder hereinrufen.«
    Ich gehorchte dieser Aufforderung bereitwillig, lächelte aber verächtlich in mich hinein bei dem Gedanken, daß er annehmen könnte, ich sei so leicht zu betrügen.
    Es war eine finstere Nacht mit nur wenigen Sternen tief am Firmament. Während ich vor der Haustür stand, hörte ich, wie der Wind in der Ferne leise klagend über die Hügel fegte. Und doch kam es mir schwül und drückend vor wie beim Herannahen eines Gewitters. Noch ahnte ich nicht, was das alles, ehe der Abend zu Ende gegangen war, für mich bedeuten sollte.
    Nachdem Ohm Ebenezer mich wieder hereingerufen hatte, zählte er mir siebenunddreißig goldene Guineen vor; den Rest der Summe hielt er in kleineren Gold- und Silbermünzen in der Hand. Aber nun verließ ihn der Mut, und er stopfte das Kleingeld hastig wieder in seine Tasche.
    »Siehst du«, sagte er, »das mag dir eine Lehre sein. Ich habe meine Eigenheiten und bin Fremden gegenüber sehr zurückhaltend, aber ein gegebenes Versprechen erfülle ich, das habe ich dir eben bewiesen.«
    Ich hielt meinen Oheim für so geizig, daß mir diese unerwartete Freigebigkeit zuerst einmal die Sprache verschlug, und ich fand keine rechten Worte, mich zu bedanken.
    Beschwichtigend meinte er: »Laß nur, ich will keinen Dank. Ich tat nur meine Pflicht. Damit will ich nicht sagen, daß jeder andere ebenso gehandelt hätte, aber ich für meine Person – obgleich ich in Geldsachen sehr genau bin – freue mich, dem Sohn meines Bruders etwas zukommen zu lassen, und ich freue mich auch, daß wir uns jetzt so gut verstehen werden, wie sich das für so nahe Blutsverwandte gehört.«
    Ich antwortete ihm darauf so artig, wie ich nur konnte, überlegte aber die ganze Zeit, was wohl als nächstes kommen würde und weshalb er sich von seinen kostbaren Guineen getrennt haben mochte. Den Grund, den er angegeben hatte, würde ihm nicht einmal ein kleines Kind geglaubt haben.
    Er sah mich jetzt wieder von der Seite an und sagte: »Du weißt doch, Davie, eine Hand wäscht die andere.«
    Ich erklärte mich bereit, ihm meine Dankbarkeit auf jede vernünftige Weise zu bezeigen, erwartete aber irgendein ungeheuerliches Ansinnen.
    Als er sich dann schließlich ein Herz faßte und zu sprechen anfing, geschah das nur, um mir ganz vernünftig, wie mir schien, mitzuteilen, daß er alt und gebrechlich sei und hoffe, ich werde ihm in Haus und Garten etwas zur Hand gehen.
    Ich bestätigte, daß ich ihm gern helfen wolle.
    »Schön«, sagte er, »du kannst gleich damit anfangen.«
    Und er zog einen rostigen Schlüssel aus der Tasche.
    »Da«, sagte er, »ist der Schlüssel zur Turmtreppe am anderen Ende des Hauses. Man kann nur von außen hineingelangen, weil der Teil des Hauses nicht fertig geworden ist. Geh dorthin, steige die Stufen hinauf und bringe mir die Truhe herunter, die oben steht; es sind wichtige Dokumente darin.«
    »Kann ich eine Kerze bekommen, Sir?«
    »Nein«, erwiderte er listig. »Du weißt, bei mir im Haus wird kein Licht gebrannt.«
    »Gut, Sir«, antwortete ich, »ist die Treppe in Ordnung?«
    »Bestens in Ordnung«, sagte er, und als ich mich zum Gehen anschickte, rief er mir nach: »Bleibe dicht an der Wand; es ist kein Geländer da, aber die Stufen sind fest.«
    Ich ging hinaus in die Nacht. In der Ferne klagte noch immer der Wind, obgleich hier, in der Nähe des Herrenhauses, kein Luftzug zu spüren war. Es schien mir womöglich noch finsterer als zuvor. Ich war froh, daß ich mich an der Hausmauer entlangtasten konnte, bis ich zu der Turmtür am Ende des unvollendeten Flügels gelangte.
    Eben hatte ich den Schlüssel in das Schloß gesteckt und ihn gerade herumgedreht, als ohne einen Windstoß oder begleitenden Donnerschlag der ganze Himmel von einem Blitzstrahl wie von einem lodernden Feuerschein erhellt wurde. Gleich darauf
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher